Vasks, Peteris

Maza vasaras muzika

Kleine Sommermusik für Flöte und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2017
erschienen in: üben & musizieren 6/2017 , Seite 56

Seine Kleine Sommermusik hat Peteris Vasks schon 1985 komponiert, allerdings für Violine und Klavier. Neben einer Fassung für Viola gibt es jetzt auch eine für Flöte, wohl dem Wunsch nach leicht spielbarer Flötenmusik dieses Komponisten folgend, dessen Originalkompositionen für Flöte – Ainava ar putniem (Landschaft mit Vögeln) von 1980 und Sonate (1992), beide für Flöte solo, und vor allem sein Flötenkonzert (2009) – ausgesprochen anspruchsvoll sind. Aber auch die Kleine Sommermusik setzt einiges an flötistischer Erfahrung voraus.
Sie besteht aus sechs kleinen Sätzen, zwei einen Rahmen bildenden und vier Mittelsätzen, für die der Komponist jeweils andere Gestaltungsmöglichkeiten wählte. Die Rahmensätze, beide mit der Überschrift „Breit, klangvoll“, sind gleich, bis auf eine die Komposition abschließende Coda. Flöte und rechte Hand des Klaviers führen darin ein melodisches Zwiegespräch, man könnten meinen, dem sommerlich einfachen Gesang der Vögel zu lauschen. Abschnittsweise Wiederholungen sind mit Wellenlinien notiert, das lässt den SpielerInnen Freiheit für ein vertikales Ungefähr und für improvisatorische Momente.
Zwischen den beiden Rahmensätzen stehen vier konventionell notierte Sätze, unterschiedlich in Tempo und Ausdruck. Wollte man auch sie programmatisch deuten, so könnten mit dem Sommer verbundene Stimmungen wie Wärme, Reifen, Tanz, Ausgelassenheit, Licht und Dunkel darin wahrgenommen werden. Der zweite Satz „Nicht eilend“ ist ein ruhiges Lied mit ausdrucksstarker klanglicher Steigerung, der vierte „Traurig“ zeigt die melancholische Seite des Komponisten. Dritter und fünfter Satz, mit „Energisch“ und „Heiter“ überschrieben, sind für die Flöte nicht ganz so dankbar, weil mehr vom Streichinstrument her konzipiert, das dank seines Bogenstrichs durchsetzungsfähiger ist gegenüber dem Klavier, während der Flöte Legato-Bögen besser liegen würden. Auch sind die nur kurz angespielten Spitzentöne a”’, h”’ und c”” ansatztechnisch nicht leicht in die melodischen Linien zu integrieren.
Auch wenn die durchsichtigen Rahmensätze vermutlich attraktiver wirken als die dichter ge­arbeiteten Mittelsätze, die nicht auf die von Vasks’ originalen Flötenkompositionen ausgehende Faszination bauen können, sollte man auf jeden Fall den Versuch machen, sich mit dieser Musik zu beschäftigen. Aufgeführt wurde die Flötenversion im Oktober 2016 beim dänischen Holstebro-Festival.
Zur Ausgabe wäre noch zu ergänzen, dass der erste und letzte Satz um eine Quarte nach oben transponiert wurden, abgesehen davon blieb die Violinfassung unverändert. Die beiden in Takt 43 fehlenden Akzente in der Klavierstimme sollte man nach der Parallelstelle in Takt 80 ergänzen, da sie strukturell notwendig sind, nicht etwa eine Variante des Komponisten.
Ursula Pesek