Wachsmuth, Walter

Perlen für Salon und Konzert

Vier Stücke für Violine und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ikuro, Stuttgart 2016
erschienen in: üben & musizieren 1/2017 , Seite 59

Die unter dem an verflossene Zeiten erinnernden Titel Perlen für Salon und Konzert veröffentlichten vier Stücke von Walter Wachsmuth (1882-1964) umfassen die „Scene“ Kleopatra op. 28, das Adagio Misericordia op. 37, ein Andante Religioso op. 61 sowie die Serenade Verklungene Melodie op. 62. Entstanden sind diese „Perlen“ zwischen 1918 und 1942 zur Zeit des Expressionismus und Neoklassizismus.
Wachsmuth unterhielt als stellvertretender Konzertmeister der Herzoglichen Hofkapelle Braunschweig durchaus Kontakte zu Komponisten seiner Zeit, welche diese musikalische Moderne ­re­präsentierten: Mit Max Reger führte er 1908 dessen Suite im alten Stil op. 93 auf, mit Paul Hin­demith kam er anlässlich eines Konzerts in Braunschweig 1925 in Kontakt, mit Arnold Schönberg tauschte er Briefe aus. Aber von der damals zeitgenössischen Musik zeigen sich diese „Perlen“ Wachsmuths, der am Stern’schen Konservatorium in Berlin seine Ausbildung als Geiger erhielt, gänzlich unberührt. Bislang veröffentlicht war nur die Kleopatra-Szene; alle anderen Arbeiten liegen hier in Erstveröffentlichungen vor, bei denen sich Roland Heuer als gewissenhafter Herausgeber auf die Autografe stützen konnte.
An diesen Stücken lässt sich erkennen, was Vortrags- oder Charakterstücke, wie sie mit ungebrochenem Erfolg etwa Fritz Kreisler komponierte, von Salonmusik wie der vorliegenden unterscheidet: etwa die Qualität melodischer Erfindung, die Originalität und unverbrauchte Frische des musikalischen Tonfalls und nicht zuletzt ein möglichst wirkungsvoll ins Werk gesetzter Impetus des Spielens und Aufführens. Die Verklungene Melodie von Wachsmuth etwa exponiert mit den ersten Takten der Violine ein Motiv, das Wachsmuth gleich zweimal mit chromatischen Varianten wiederholt. Doch machen solche Wieder­holungen das Motiv weniger einprägsam präsent, als dass sie es vielmehr selbstgefällig trivialisieren und banalisieren. Die musikalische Wirkung wird auf diese Weise weniger gesteigert oder intensiviert als vielmehr gemindert, ja nivelliert.
Man könnte freilich auch von „Musik über Musik“ sprechen: Wachsmuth biete, so ließe sich argumentieren, offenbar das Substrat von Salonmusik und führe gleichsam augenzwinkernd die Banalität ihrer Machart vor. Doch fehlt diesen Stücken durchweg die Folie, auf der sich die Trivialität unmissverständlich als kompositorische Intention erweist.
Hinzu kommt noch eine spieltechnische Faktur, die Schwierigkeiten bloß vortäuscht, aber dann doch mit Lagen- oder Registerwechsel durchweg heikle Intonationsprobleme mit sich führt: Nur bei absolut sauberem Spiel klingt die Musik erträglich. Die Tonart Des-Dur der Kleopatra-Szene dürfte freilich den GeigerInnen einige Intonationsprobleme bereiten. Zudem ist der Klavierpart allzu anspruchsvoll gehalten. Die Stücke verlangen also InterpretInnen, die das zwischen Ernst und Parodie changierende Spielen beherrschen.
Giselher Schubert