Schumann, Robert

Album für die Jugend

43 Klavierstücke op. 68, Urtext

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2015
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 55

Noch eine Edition von Schumanns Album für die Jugend? Muss das wirklich sein? Gibt es nicht genügend andere Werke, die noch auf ihre Erstausgabe warten, bevor man sich zum gefühlt 38. Mal mit Schumanns Opus 68 befasst? So fragt sich wohl mancher, der in der Klavierliteratur heimisch ist und diese neue Edition aus dem Hause Bärenreiter in die Hand bekommt.
Bei genauerer Betrachtung des über 90 Seiten starken Hefts muss man die spontane Reak­tion freilich ein Stück weit revidieren. Zunächst, weil es sich um eine Urtextausgabe handelt. Auch als solche ist sie zwar nicht die erste ihrer Art, doch bietet sie neben den 43 Kompositionen, die heute als Album für die Jugend bekannt sind, als Zugabe noch die acht aus der Stichvorlage nicht in den Druck übernommenen Stücke Schumanns sowie sieben tatsächlich nur in wenigen früheren Ausgaben enthaltene Stücke aus dem Klavierbüchlein für Marie, außerdem noch einige Abdrucke aus den Autografenskizzen und schließlich Schumanns Musikalische Haus-und Lebens-Regeln.
Die Quellenlage des Albums ist nicht ganz einfach, und so unterscheiden sich auch verschiedene Urtext-Editionen durchaus voneinander. Die hier vorliegende, von Holger M. Stüwe besorgte, basiert vor allem auf einem vermutlich von Schumann korrigierten Exemplar des Erstdrucks; bei Zweifelsfällen wurden die autografe Stichvorlage oder die zweite Auflage des Erstdrucks zu Rate gezogen.
Wie von Bärenreiter gewohnt, ist dieses Heft technisch hervorragend: glattes, stabiles Papier, glasklarer Druck, blätter-freundlicher Satz, ein Einband, der auch einmal einen darauf abgestellten Kaffeebecher übersteht, und ein höchst instruktives Vorwort des Herausgebers.
Erstaunlich, um nicht zu sagen unverständlich bleibt jedoch, dass man ausgerechnet dieser neuen Urtext-Ausgabe, in der ohnehin bereits einzelne Fingersatzangaben Robert Schumanns und die sehr zahlreichen seiner Gattin Clara Schumann vorhanden sind, noch zusätzliche Fingersätze beifügte – die dann auch noch von der Pianistin Ragna Schirmer stammen statt von einer Person, die auf diese Epoche und ihre Instrumente spezialisiert ist. Schirmer gibt im Vorwort leider auch keinerlei ernsthafte aufführungspraktische Hilfen, erläutert aber, sie habe die Fingersätze „in möglichst unkorrigierter Form übernommen, sie lediglich an einigen Stellen ergänzt oder durch eine dem modernen Instrument geschuldete Alternative erweitert“. Diese Alternativen sind kursiv gedruckt und wenn auch nicht sehr zahlreich, so doch ziemlich überflüssig und eher verwirrend.
Als weiteren Kritikpunkt mag man noch anfügen, dass der kritische Kommentar nur in Englisch vorhanden ist – eine freilich heute gängige und im Prinzip durchaus akzeptable Praxis, die aber gerade in diesem Band, der sich ja ausdrücklich an die Jugend wendet, ungeschickt scheint.
Andrea Braun