Hollaender, Gustav

Leichtes Konzert op. 62

für Violine und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Butorac, München 2015
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 56

Gustav Hollaender (1855-1913) gehört heute zu den nahezu vergessenen Namen der deutsch-jüdischen Violinistentradition. Unter seinen Lehrern finden sich die führenden deutschen Geiger und Lehrer des 19. Jahrhunderts, Ferdinand David und Joseph Joachim. Er prägte als Gürzenich-Kapellmeister in Köln und als Leiter des Sternschen Konservatoriums in Berlin das musika­lische Leben zweier bedeutender deutscher Städte. In seinem kompositorischen Nachlass findet sich neben zahlreichen Transkriptionen und drei großen Violinkonzerten das mit dem Titel Leichtes Konzert überschriebene Violinkonzert op. 62. Es liegt nun in der revidierten Ausgabe der Edition Butorac vor.
Das dreisätzige Werk ähnelt in der Anlage den bekannten Schülerkonzerten von Hollaenders Zeitgenossen Friedrich Seitz, ­Oskar Rieding und Jean Baptiste Accolay. Erreicht er mit dem kleinen kleinen Werk auch nicht die romantische Ausdruckskraft des a-Moll-Konzerts von Accolay, das bekanntlich auch einen Weltklassegeiger wie Itzhak Perlman im Rückblick faszinierte, so erscheint es doch im Vergleich zu den eher instruktiv gestalteten, viel gespielten und gehörten Werken von Friedrich Seitz als eine reizvolle Alternative.
Der technische Anspruch beschränkt sich für das Lagenspiel der linken Hand auf die erste bis dritte Lage mit gelegentlichen Oktavflageoletten. Darüber hinaus sind allerdings sicheres Skalenspiel, gebrochene Akkorde, intonationssichere Chromatik und leichte Doppelgriffe ohne Fingerübersatz erforderlich. Die Bogentechnik verlangt bereits Staccato-Spiel im Aufstrich und  die Fähigkeit des variablen Bogentempos im Wechsel von langen Bindungen und kurzen akzentuierten Strichen.
Musikalisch eröffnet der erste Satz als Allegro moderato nach einem kurzen Orchestervorspiel mit einem pathetischen Solo, wie es aus den erwähnten bekannteren Schülerkonzerten vertraut ist, um dann den jungen ViolinistInnen ihr technisches Repertoire abzufordern. Auch tonlich wird hier bereits Gestaltungskraft verlangt, wie auch im zweiten Satz – mit Andante religioso betitelt –, der sich nach Art des Mendelssohn-Konzerts nach einer kurzen Überleitung im 6/8-Takt attacca anschließt. Ein spritziges und virtuos gehaltenes Rondo grazioso beschließt das kleine Werk.
Wenn die Komposition auch sicher nicht zu den wiederentdeckten Preziosen einer vergangenen Zeit zählt, bietet sie doch eine hörenswerte und herausfordernde Alternative zu den auch heute noch viel gespielten pädagogischen Konzerten jener Epoche. Nach drei bis vier Jahren Unterricht sollten junge GeigerInnen mit hinreichender Übe­motivation in der Lage sein, dieses kleine Konzert zu spielen.
Uwe Gäb