Funk, Greta

Drei Stücke

für Violine und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Uetz, Halberstadt 2015
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 56

Greta Funk ist eine junge Schwei­zer Komponistin, die bewusst keine „Neue Musik“ schreibt. Wie ihre Website zeigt, beschäftigt sie sich mit den Bereichen „Klassik/Romantik“, „Jazz/Pop/ Electronic“ und „Film“. Wenn sie Klassik komponiert, ist das zutiefst romantisch. Mit einer Portion Naivität und großer Freude an einprägsamen, unter die Haut gehenden Melodien arrangiert sie das Ave Maria, schreibt ein Bläserquintett mit Akkordeon, das Gauklerepisoden erzählt, oder komponiert für Klavier zu vier Händen Remember When We Were Kids.
Die Drei Stücke für Violine und Klavier sind freilich gar nicht so vordergründig naiv oder kitschig, wie man vermuten könnte: ­Gerron komponierte Greta Funk, nachdem sie den Roman von Charles Lewins­ky über den Schauspieler Kurt Gerron gelesen hatte, der im KZ Auschwitz ermordet wurde. Als Motto schreibt sie: „Sehnsucht nach dem Leben. Eine jüdische Melodie“ – ganz konventionell komponiert mit einer Begleitmelodie im Klavier, die es allerdings in sich hat, und einem Gesang ohne Worte in der Violine, der sich in zahlreichen Melodiebögen sehnsuchtsvoll immer weiter in die Höhe wagt. Diese Musik bewegt, auch ohne dass man ihren Inhalt kennt. Sie ist auf jeden Fall sehr dankbar, wenn man vor Publikum spielt. Allerdings muss der Interpret romantischen Violinton, nahtloses Verschmelzen der Töne zu einem großen Bogen und intensives Vibrato beherrschen.
Nicht zu unterschätzen sind die Qualitäten, die der Klavierspieler einbringen muss. Er spielt nicht nur die üblichen Begleitfiguren, sondern verbreitert klanglich die Violinmelodie und löst sie in Sechzehntelfiguren auf. Im Intermezzo flutet er gläsern und im lichten hohen Tonbereich die Me­lodie mit hellem Klang und umspielt sie schließlich mit großflächigen Arpeggios.
Der Valse sentimental erinnert an die Zeit von Fritz Kreisler, ein Salonstück im Walzerrhythmus, melancholisch und sinnlich opulent. Für die Violine wird Klangfarbenreichtum, Raffinement der Tongebung und rhythmische Verve verlangt, für das Klavier eine gehörige Portion Virtuosität.
Lohnt es sich, Greta Funks Musik, die durchaus nicht einfach ist, einzustudieren? Man könnte ja auch die Salonstücke von Fritz Kreisler spielen! Aber Greta Funk komponiert eben doch anders. Ihre Neoromantik hat die Erfahrung der Neuen Musik hinter sich. Sie beschließt trotz allem, in ihrer Musik Gefühl zu zeigen, und dies tut sie ohne den Anstrich des Fin de siècle zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Greta Funk erinnert mit ihrer Neoromantik und Neo-Salon­musik darin, dass Violine und Klavier nicht nur Übequal bedeuten können, sondern auch Lust am Musizieren, Verführen und Eintauchen in ihren ureigenen „Sound“. Ihre Kompositionen sind nicht einfach, aber wer sich an sie heranwagt, wird nicht nur selbst belohnt, sondern dem ist auch beim Vorspiel der Erfolg garantiert – auch wenn diese Musik ein bewusster Anachronismus ist.
Franzpeter Messmer