Schadeberg, Alfred

September Songs

5 moderne Konzertstücke für Gitarre

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2015
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 58

Allen elektronischen Trends und Musikstilen zum Trotz ist die akustische Gitarre für viele Jugendliche immer noch der Einstieg ins Musikmachen. Umso wichtiger ist es, das traditionelle Instrument in musikalischer und kompositorischer Hinsicht nicht einstauben zu lassen, sondern immer wieder eine Brücke von der klassischen Spieltechnik zu modernen Klängen zu schaffen. Mit September Songs versucht Alfred Schadeberg sich an diesem Anspruch. Schadeberg ist seit über dreißig Jahren Dozent für Gitarre an der Universität Gießen, veranstaltet die Gießener Gitarrentage und ist auch als Komponist aktiv.
Sein musikalischer Ansatz ist trotz der Annäherung an die Moderne recht konservativ, was sich zuerst in der Gestaltung des Hefts zeigt. Sowohl Tabulatur als auch Erläuterungen zur Spieltechnik oder kompositorischen Idee glänzen durch Abwesenheit, was sich in einem recht nüchternen Notenbild niederschlägt. Was für Fortgeschrittene kein Problem ist (Positionen und Fingersätze sind gut dargestellt), dürfte für weniger notenkundige NachwuchsmusikerInnen prob­le­matisch sein: Man braucht schon solide Kenntnisse des Gitarrenspiels, um sich unbeschwert in den Noten zurechtzufinden. Gerade für den Übergang von Pop/ Rock zur Klassikgitarre wären Tabulaturen hilfreich.
Musikalisch enthalten alle Stücke schöne Passagen: Purple Rose beginnt mit einer schwebenden Picking-Figur, die dann in der Mitte von einer recht abstrakt klingenden Passage abgelöst wird. Stücke wie Magic Blue oder Hot Cherry wirken eher wie Etüden für Tremolo und Auf- und Abschlagsbindungen. Cloud Nine startet mit einer spacigen Akkordfolge, die viel verspricht, aber leider mit etwas bemüht wirkenden Percussion-Effekten und angestrengter Quartenmelodik fort­geführt wird. Auch Nighflight hat interessante Elemente: ein Intro mit „add9“-Akkorden, spannend klingende Griffe mit Leersaiten und sich verschiebenden Shapes, die durchaus modern wirken, bevor wieder sehr abstrakte Passagen den Pop/Rock-Charakter zunichte machen.
Alles in allem bekommen die Kompositionen dadurch einen leicht akademischen Charakter, der nach meiner Erfahrung von SchülerInnen im Unterricht nicht sehr positiv aufgenommen wird. SchülerInnen mit Pop/Rock-Hörerfahrung erwarten eher Wohlklang und können mit künstlerisch angehauchten, schrägen Passagen wenig anfangen. Da auch keine Audio-Beispiele erhältlich sind, ist der Zugang nur durch viel Übearbeit zu erreichen, sprich: Man hört den Song erst, wenn man ihn wirklich gut spielen kann.
So bleibt am Ende ein zwiespältiger Eindruck. September Songs bieten zwar durchaus Stücke mit ansprechend klingenden Passagen im mittleren Schwierigkeitsgrad, schaffen aber nicht die Verbindung von klassischer Tech­nik und zeitgemäßer Harmonik, wie sie viele virtuose Akustikgitarristen heute beherrschen.
Martin Schmidt