Jocher, Werner

STIMM-Kanons

Stimmbildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, einzeln und in der Gruppe, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Fidula, Boppert 2016
erschienen in: üben & musizieren 5/2016 , Seite 55

Werner Jochers Ansatz entspricht den Grundlagen des funktionalen Stimmtrainings. Er geht von einer neutralen Stimmästhetik aus, die „weder stimmliche Modeströmungen“ befriedigen „noch die Stimme in eine bestimmte Klang­richtung drängen“ will.
Jocher stellt seinen Ausführungen eine Beziehungsgrafik der einzelnen Stimmkomponenten voran, die sich gegenseitig beeinflussen und in Balance gebracht werden müssen. Im Wesentlichen sind dies: Haltung, Atmung, Resonanz, Artikulation, Ton- und Klangvorstellung sowie natürlich funktionierende Registertätigkeit, aber auch die Fähigkeit ausdrucksvollen Singens und Sprechens und last but not least die Literaturauswahl. Diese Balance ergibt dann einen methodischen Weg der Stimmbildungsarbeit, den Jocher „integrale Stimmbildung“ nennt und diese zu einem Muss für den Singunterricht mit Kindern unter zehn Jahren erklärt. Der Autor redet einem dezidiert ganzheitlichen Vorgehen das Wort, das immer auch – wie Jocher betont – mit vielen Be­wegungselementen einhergehen sollte.
Diese grundsätzlichen Betrachtungen, die verständlich formuliert sind und durch Grafiken anschaulich ergänzt werden, münden in eine ausführliche Darstellung der artikulatorischen Elementaria der Stimmgebung durch Analyse der Lauterzeugung von Vokalen und Konsonanten. Dieser Teil des Buchs gibt eine gute Zusammenschau dieser wichtigen Grundlagen.
Das eigentliche Singmaterial besteht aus 27 Kanons – besser Sing-Übungen in kanonischer Form. Bei diesen Übungen werden stimmbildnerische Ziele angestrebt, die ausführlich erläutert und mit methodischen Hilfen versehen werden, die gerade auch Laien helfen sollen, zu einer bewussteren Wahrnehmung ihrer stimmlichen Aktivitäten zu gelangen. Hier werden vor allem Gesten und Bewegungsimpulse unterstützend herangezogen.
Ein wenig problematisch scheint mir an einigen Stellen die Nota­tion­, vieles ist gerade für Kinderstimmen deutlich zu tief angesetzt, trifft nicht den natürlichen Stimmumfang der Kinderstimme oder erfordert einen zu großen Ambitus – häufig auch bis in die kleine Oktave. Das ist verständlich, da vierstimmige Kanons einen ausreichenden Klangraum benötigen, aber stimmphysiologisch nicht unproblematisch. Jocher merkt hierzu an, dass „die Singlage […] auf die Personen, mit denen […] gearbeitet wird, abgestimmt werden muss“, die Notation sei „der leichteren Lesbarkeit geschuldet“.
Die Übungen selbst enthalten jeweils Altersangaben, auch hier gibt es allerdings ein paar Fragezeichen, da nicht überall deutlich wird, welche Kriterien für die jeweilige Altersempfehlung angesetzt wurden. So werden für die konkrete Umsetzung einige methodische Überlegungen übrig bleiben, die dieses anregende Buch nicht abdeckt. Leider ist der Sound auf der CD allzu künstlich geraten, man sollte daher besser selbst in die Tasten greifen.
Thomas Holland-Moritz