Ardila-Mantilla, Natalia

Vielfalt bejahen – aber wie?

Wie die Musikschule unterschiedlichen musikalischen Interessen und Lernwegen entgegenkommen kann

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2015 , Seite 12

Was heißt es genau, für unterschiedliche musikalische Ausdrucksformen und Lernwege offen zu sein? Wie kann die Musikschule junge Men­schen dabei unterstützen, ihren ­eigenen Platz im großen Kaleidoskop der musikalischen Vielfalt zu finden?

Beginnen wir diese Geschichte mit vier jungen Frauen: Katharina, Elcin, Consuelo und Jessica, vier Fünfzehnjährige, die sich auf unterschiedliche Weisen mit Musik beschäftigen. Katharina und Elcin sind seit einigen Jahren Schülerinnen der Musikschule: Sie haben beide die musikalische Früherziehung besucht, im Musikschulchor gesungen und ein paar Instrumente ausprobiert. Elcin ist beim Klavier geblieben, Katharina bei der ­Posaune. Ihnen macht der Unterricht großen Spaß. Consuelo und Jessica gehen nicht in die Musikschule, sind aber musikalisch sehr aktiv. Consuelo hat immer gern gesungen und tritt seit Kurzem bei den Konzerten der Salsa-Band ihres Vaters als Sängerin und Tänzerin auf. Sie hat eine schöne Stimme, eine starke Bühnenpräsenz und gilt in der Latin-Szene als vielversprechendes Talent. Von Jessicas Beschäftigung mit Musik wissen ­dagegen nicht viele. Jessica verbringt viele Stunden mit ihrem Computer, ihrer Gitarre und ihren Songs. Jessica liebt MusikerInnen, die allein auf der Bühne stehen und sich mit der Gitarre begleiten. Wenn sie allein in ihrem Zimmer ist, probiert sie sich in dieser Rolle aus: Sie singt und spielt zu Internetvideos, sie recherchiert und übt Songtexte und Gitarrengriffe, sie verpasst sich neue Looks und schaut sich im Spiegel an, und mittlerweile bastelt sie sogar an eigenen Songs.

Musikschule als Ort für Bildung und Begegnung

Was hat die Musikschule diesen vier jungen Frauen anzubieten? Wie definiert sie ihre Rolle und ihre Verantwortung ihnen gegenüber? „Musikschulen sind Orte des Musizierens, der Musikerziehung und der Musikpflege, Orte der Kunst und der Kultur und Orte für Bildung und Begegnung. […] Die öffentliche Musikschule legt mit qualifiziertem Fachunterricht die Grundlage für eine lebenslange Beschäftigung mit Musik. Sie eröffnet ihren Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zum qualitätvollen gemeinschaftlichen Musizieren in der Musikschule, in der allgemein bildenden Schule, in der Familie oder in den vielfältigen Formen des Laienmusizierens. Besonders begabte Schülerinnen und Schüler erhalten eine spezielle Förderung, die auch die Vorbereitung auf ein musikalisches Berufsstudium umfassen kann.“1 Die Musikschule „kommt unterschiedlichen Musikinteressen und Lernwünschen entgegen. […] Durch ihre Kooperationsbereitschaft mit anderen Einrichtungen am Ort schafft sie für ihre Schüler Kontakte und bereichert das musikalische Leben des Gemeinwesens.“2
Wenn wir diese Statements des Verbands deut­scher Musikschulen (VdM) als Ausgangs­punkt nehmen, was können Katharina, Elcin, Consuelo und Jessica von ihrer Musikschule erwarten? Sie können erwarten,
dass sie eine solide Basis für die selbstständige und langfristige Auseinandersetzung mit Musik aufbauen können,
dass sie Gelegenheiten bekommen, mit anderen qualitätvoll zu musizieren,
dass sie Kontakte knüpfen und Menschen be­gegnen, die sich auch für Musik interessieren,
dass sie durch diese Kontakte und Begegnungen eine aktive Rolle im Musikleben ihrer Gemeinde einnehmen können,
dass die Musikschule das Musikleben ihrer Gemeinde in ihren unterschiedlichen Formen bereichert und belebt,
dass ihr individuelles Potenzial erkannt und gefördert wird
und vor allem: dass die Erfüllung dieser Ansprüche nicht nach einem vorgegebenen Schema erfolgt, sondern auf eine Art, die ihren individuellen Musikinteressen und Lernwünschen entgegenkommt.

1 Strukturplan des Verbands deutscher Musikschulen, www.musikschulen.de/musikschulen/strukturplan2009/index.html (Stand: 18.12.2014).
2 ebd.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2015.