Materne, Nikola

Popvocals. Der Weg zur eigenen Stimme

Finde deinen Stil und deinen Ausdruck

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel/Bärenreiter, Leipzig/Kassel 2014
erschienen in: üben & musizieren 1/2015 , Seite 50

Dieses Buch ist großartig. Es ist eine wohltuende Antwort auf den häufig anzutreffenden Wettbewerbsgedanken im Musikleben. Wie der Titel schon andeutet, geht es um die Konzentra­tion auf die eigene Stimme, den eigenen Gesang. Es geht nicht darum zu lernen, wie Sänger XY zu singen. Es geht auch nicht darum, sich anzuschließen an die weit verbreitete Devise: „Höher, schneller, lauter!“
Nikola Materne regt an, jeglichen Stress in Form von Konkurrenzdenken oder Vergleich hinter sich zu lassen. Ist es doch in der Tat so, dass es in den vergangenen Jahren zur Mode geworden ist, Gesang zu bewerten: durch Jurys in immer zahlreicher werdenden Casting-Formaten im Fernsehen oder Internetbenutzer auf diversen Portalen. Die Autorin plädiert dafür, sich in dieser leistungsorientierten Welt zurückzubesinnen auf das, was man kann, oder auch eben nicht kann; auf das, was einem Freude bereitet. Sie möchte mit ihrem Buch dazu beitragen, dass man „mit seiner Stimme glücklich bleibt und wird“. Und „dass [man] Lust bekommt, das Singen als Spielwiese und großes Geschenk zu betrachten“.
Nach einer Einleitung und Allgemeinem zum Popgesang führt Materne uns, ob Profi- oder Hob­by­sängerIn, systematisch zur eigenen authentischen Stimme. Mit gezielten Fragen regt sie zunächst zur Selbstreflexion an. Auch Arbeitsanweisungen ermöglichen ei­ne ehrliche, objektive Selbst­einschätzung. Die darauf folgenden Übungen sind gut durchdacht und decken viele Facetten zum Thema ab. So geht die Autorin auf Fokussierung genauso ein wie auf Text und Sprache, Be­wegung oder Improvisation.
Wohlgemerkt, es handelt sich nicht um technische Übungen zur Stimmbildung oder Stimm­training. Dreh- und Angelpunkt ist stets, Authentizität zu erwerben, die eigene Sängerpersönlichkeit zu finden und herauszubilden, mit all ihren Eigenheiten, Schwächen und Stärken. Dies betont Nikola Materne immer wieder und gibt in ihrem Buch dazu informative und praktische Hilfestellungen.
Dass sie weiß, wovon sie spricht, belegt die Sängerin, Songwriterin und Stimm­pädagogin durch Erzählungen aus ihrem Musikeralltag. In manchen Anekdoten, die sie aus ihren Begegnungen mit Gesangsschülern preisgibt, wird sich mancher möglicherweise wiederfinden und vielleicht durch die aufgezeigten Lösungsvorschläge den eigenen Weg zum freudvollen Singen finden.
Besonders schön ist, dass die Autorin viele Ausführungen anhand von Persönlichkeiten der Popmusikgeschichte konkretisiert. Axl Rose, Marla Glen, Joni Mitchell, Pink, Johnny Cash oder Leona Lewis – an ihnen verdeutlicht Materne unterschiedliche Stimmfarben oder Gesangscharakteristika. Die kurzen Exkurse machen Lust, sich die erwähnten Songs anzuhören oder sich näher mit den MusikerInnen zu beschäftigen.
Patricia Tafel