Lang, Konrad

7 Stücke für werdende Pianisten (2013/14)

für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: edition gamma, Bad Schwalbach 2014
erschienen in: üben & musizieren 6/2014 , Seite 55

Wozu noch eine weitere Sammlung von Charakterstücken, die für den Klavierunterricht in der Mittelstufe bestimmt ist? Man sollte meinen, an derartiger Literatur gäbe es keinen Mangel und an Novitäten bestünde kein Bedarf. Doch das sieht Konrad Lang, Autor der 7 Stücke für werdende Pianisten anders, denn über das rein Pianistische hinaus verfolgt er mit seinen Kompositionen eine spezielle pädagogische Zielsetzung: “Mit diesen Stücken wird der Versuch unternommen, den Schüler auf die Tonsprache der zeitgenössischen Musik vorzubereiten.” Der Klavierschüler soll sich bei der Interpretation von Langs Musik mit der “Emanzipation der Dissonanz” auseinandersetzen, was freilich in moderater Form geschieht und nicht völlig in atonale Bezirke führt. Nach des Autors Intention wird “mit Klangfarben eines Spektrums gearbeitet, die den Regeln einer erweiterten Tonalität” folgen.
Blättert und spielt man den schmalen Band durch, so entsteht der Eindruck, als sei es Konrad Lang mit seinen zwischen zweieinhalb und vier Minuten Aufführungsdauer beanspruchenden Kompositionen tatsächlich gelungen, eine eigene Farbe in das Genre der pädagogischen Klaviermusik zu bringen. Vielleicht liegt das nicht zuletzt daran, dass der Autor mit dem “Blick von außen” an die Sache gehen kann: Denn der 1943 geborene Verfasser entwickelte vielfältige Tätigkeiten als Mathematiker und Softwarespezialist, genoss jedoch auch eine Ausbildung als Musikwissenschaftler und Kompositionsunterricht bei Tilo Medek.
In einer Tradition, die bis zu Schumann oder zu Türks “Handstücken” zurückreicht, stehen die charakterisierenden Überschriften der Einzelnummern, die zusammen mit zusätzlichen Erläuterungen im Vorwort dem Spieler oder der Spielerin Fingerzeige für das Verständnis und die musikalische Gestaltung geben. Gar zu leicht macht es Lang mit den in aufsteigendem Schwierigkeitsgrad angeordneten Stücken den Ausführenden nicht, da nicht nur der tonale Halt und jener der traditionellen Harmonik oft fehlt, sondern auch ungewohnte Taktgliederungen und anspruchsvolle Rhythmen erst einmal erarbeitet werden wollen – wobei noch differenzierte Zusatzanweisungen wie “etwas zu früh” sinnvolle Freizügigkeit jenseits aller mechanischen Metrik fordern. Manches Stück fängt gleichsam naiv an und steigert sich in Bewegtheit und Satzdichte bis hin zum Spiel mit Clustern.
An Motivation für fortgeschrittenere KlavierschülerInnen, sich den nicht geringen technischen und gestalterischen Herausforderungen der Stücke zu stellen, fehlt es nicht: Der Spaßfaktor kommt nämlich nicht zu kurz, wenn etwa in Nr. 5 “Elefant Rosi bei einer Probe des Zirkus-Balletts” mit seiner Plumpheit in Konflikt mit dem geforderten “Andante grazioso” gerät oder wenn “Ein falscher Boogie” aus seinem Schema unversehens in den 5/4- oder 9/8-Takt umkippt.
Gerhard Dietel