Schneidewind, Ruth

Musiziermomente im Klassenraum

Voraussetzungen für deren Gelingen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2014 , Seite 12

Wozu soll Musik als Unterrichtsfach gut sein, wenn man nicht selbst he­rausfindet, dass Musik mehr ist als ein auf Knopfdruck abrufbares Schallereignis? Man kann der Musik nur wirklich nahe kommen und sie letztlich lieben lernen, sie sinngebend in sein Leben integrieren, wenn man sie selbst “angreifen” darf, wenn man selbst Klang und Rhythmus erzeugt, wenn man erleben darf, wie sich eine selbst gemachte Musik durch eigene Kraft, Fantasie und Hingabe entwickelt, sich vielfältig zeigt und berühren kann.

Elementares Musizieren ist eine eigenständige und künstlerische Musizierform, ein Musizierprozess, an dem jede und jeder, ob Kind oder Künstler, mitmachen kann. „Wer mitmacht, braucht nichts außer dem, was er hat, seine Erfahrungen und Fähigkeiten… Der Musizierprozess beginnt mit einer Öffnung der Sinne und ausgiebigen Ideenerkundung zum gewählten Thema: Welche Bewegungen, Gesten erfüllen, repräsentieren, variieren diese Ideen, welche Stimmgebung passt zur Bewegung, begleitet diese? … Die Klang­suche weitet sich aus, alles Verfügbare darf klingen: der eigene Körper, der Raum und seine Gegenstände, diverse Materialien und alle möglichen Instrumente. … Alles ist erlaubt, … es gibt kein ,richtig‘ oder ,falsch‘… Die eigene Klangvorstellung trifft sich mit der Klangvorstellung der anderen Gruppenmitglieder… Unbeeindruckt von Idiomen und Regeln suchen die TeilnehmerInnen neuen Ausdruck für das angehäufte musikalische Material… Verbale und musikalische Spiele und Kommunikationen entwickeln Entstandenes weiter und gipfeln in improvisierten oder komponierten musikalischen Zeitgestalten.“1
Elementares Musizieren versteht sich als die Praxis der Elementaren Musikpädagogik und hat sich als eigenes Fach an der Musikschule entwickelt und etabliert, wobei es Angebote für jedes Alter, nicht nur für Anfänger, sondern auch für Fortgeschrittene und mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen gibt. Die ideale Gruppengröße wird bei acht bis zwölf TeilnehmerInnen angesetzt, um einerseits die Eigenständigkeit jedes Einzelnen und andererseits die Zusammenarbeit aller im schöpferischen Prozess optimal zu ermöglichen. Elementares Musizieren kann vor dem Instrumentalunterricht oder ergänzend dazu, aber auch integriert im instrumentalen Gruppenunterricht, im Ensemble bzw. Chor der Musikschule und auch in Musiklehre eingesetzt werden.
Elementares Musizieren in der Klasse ist etwas anderes als in der Musikschule. Im Kontext des Musikunterrichts in der Grundschule finden sich mehrere Aspekte, die einen Unterschied zu musizierenden Gruppen etwa in der Musikschule ausmachen.

Inhaltliche Merkmale

Betrachten wir zunächst die inhaltlichen Merk­male des Elementaren Musizierens in der Klasse:
– Das Musizieren in der Klasse ist kein Inst­rumentalunterricht – außer in den Formen des Klassenmusizierens, wo bestimmte Inst­rumente im Klassenverband erlernt werden und dem gemeinsamen Musizieren dienen. Dem Elementaren Musizieren in der Klasse dienen alle Instrumente, alles voraussetzungslos spielbare „Musizierzeug“:2 der eigene Körper, die Stimme, klingendes Mate­rial wie Dosen, Papier, Kübel, Flaschen, Selbstbauinstrumente, aber auch alle verfügbaren Instrumente wie Ukulelen, Djemben, Cajons, Sound Shapes, Sanzulas, Boomwhackers, Stabspiele, Flötenköpfe, Obertonflöten, Heulrohre, Kazoos… Alles, was interessant klingt und zur Klangvorstellung passt, ist erlaubt.

1 Ruth Schneidewind: Die Wirklichkeit des Elementaren Musizierens, Wiesbaden 2011, S. 35 f.
2 Ähnlich wie „Werkzeug“ für alles gilt, womit man ­arbeiten kann, oder „Spielzeug“ für alles, womit man spielen kann, so dient für mich „Musizierzeug“ umfassend und wertschätzend für alles, womit musiziert ­werden kann.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2014.