Schneider, Friedrich

Klaviersonaten

Nr. 32 in e op. 14, Urtext/Nr. 39 in f op. 37, Urtext

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Pfefferkorn Musikverlag, Leipzig 2013
erschienen in: üben & musizieren 4/2014 , Seite 53

Der russische Pädagoge Felix Blumenfeld hat seinerzeit immer wieder seinen Schülern empfohlen, auch Stücke von Komponisten aus der Vorgängergeneration derjenigen Komponisten zu spielen, deren Werke sie gerade zu studieren beabsichtigten. Oft mag es auch sinnvoll sein, sich die Komponisten der zweiten Reihe anzuschauen, die als Zeitgenossen der großen Komponisten deren musikalisches Umfeld mitgeprägt haben.
Dazu gibt der vorliegende Band gute Gelegenheit. Er stellt einen Komponisten vor, der die Generation zwischen Beethoven und den Romantikern vertritt. Zu Lebzeiten war Friedrich Schneider (1786-1853) ein außerordentlich geschätzter und sehr produktiver Komponist (besonders berühmt: sein Oratorium Das Weltgericht), der u. a. als Musikdirektor am Stadttheater Leipzig, Organist an der Thomaskirche und Herzoglich-Anhalt-Dessauischer Hofkapellmeister das Musikleben in Leipzig und Dessau maßgeblich mitgestaltet hat. Heute ist er so gut wie vergessen.
Der Pfefferkorn-Verlag hat sich als Ziel gesetzt, die 42 überlieferten Klaviersonaten wieder zugänglich zu machen. Die zwei hier zur Rede stehenden Sonaten sind umfangreiche Werke (als Spieldauer werden in beiden Fällen ca. 33 Minuten angegeben). Die viersätzige, leidenschaftliche e-Moll-Sonate ist im Geburtsjahr Mendelssohns entstanden, etwa zeitgleich mit Beethovens op. 78 und op. 81a, also noch vor dessen späten Werken. Gewidmet wurde sie Friedrich Rochlitz, dem Gründer der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung und Förderer Schneiders. Die zweisätzige Sonate in f-Moll entstand ein Jahr später. Ihre formale Anlage ist merkwürdig: Der erste Satz mit Trio ähnelt einem ausgedehnten Scherzo, während der zweite Satz (Allegretto quasi Andantino) in der Faktur des Themas und der weiträumigen Satzanlage an den zweiten Satz von Beethovens op. 90 denken lässt.
Der Klaviersatz steckt in beiden Stücken voller Oktaven, gebrochener Akkorde, Tremoli und Akkordpassagen. Er wirkt auf die Dauer etwas monoton, polyfone Elemente kommen kaum vor, jedenfalls nicht mehr, als ohnehin in jeder Klaviermusik anzutreffen sind. Der Komponist war allem Anschein nach ein „starker“ Pianist, immerhin spielte er im Gewandhaus die Uraufführung von Beethovens 5. Klavierkonzert. Für Schneiders eigene Sonaten benötigt der Spieler auf jeden Fall auch eine gewisse Kondition.
Die Ausgaben enthalten einen ausführlichen Lebenslauf des Komponisten und einen Überblick über die Klaviersonaten, außerdem einige Kommentare zur Editionspraxis, die sich nicht nur auf die vorliegenden Bände beziehen. Dort hätte man einige Angaben eventuell noch optimieren können. Ob es nötig ist, alle 42 Sonaten wieder zu drucken, sei dahingestellt. Auf jeden Fall vervollständigen die Ausgaben aber das Bild von deutscher Klaviermusik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Linde Großmann