Mussorgsky, Modest

Eine Nacht auf dem kahlen Berge

für Holzbläserquintett, bearb. von Joachim Linckelmann, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2014
erschienen in: üben & musizieren 4/2014 , Seite 59

In der vorliegenden Bearbeitung eines der bekanntesten Werke von Modest Mussorgsky muss ein Bläserquintett mit der ganzen Farbpalette eines Orchesters aufwarten. Doch damit nicht genug: Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott sollen nach Möglichkeit die gleiche Beweglichkeit wie die Violinen, dasselbe Volumen wie ein Orchestertutti oder die harten Akzente des Schlagzeugs zu Gehör bringen beziehungsweise zumindest simulieren, um dieser Nacht auf dem kahlen Berge zur erwarteten Wir­kung zu verhelfen.
Mussorgskys wirkungsvolle Programmmusik lebt von ständiger Bewegung und grellen Farben. Beides ist wie geschaffen für ein Bläserquintett. Und scheint nicht auch gerade das Kichern und Streiten der Hexen bei den fünf Bläsern besonders gut aufge­hoben zu sein? Joachim Linckelmanns Bearbeitung hat sich auf jeden Fall auf die Fahne geschrieben, dieses spukhafte Intermezzo so detailgetreu wie möglich abzubilden.
Was beim Blick in die Partitur sofort auffällt, sind äußerst klare Strukturen und ein geradezu „aufgeräumter“ Stimmensatz. Ganz offensichtlich scheint Mussorgskys Nacht auf dem kahlen Berge auf diese Bearbeitung „gewartet“ zu haben. Während man aufgrund der starken Klavieraffinität des Komponisten zunächst vielleicht nicht an ein klassisches Bläserquintett denken mag, erweist sich diese Fassung bereits nach einem kurzen Blick in die Noten als geradezu auf der Hand liegend. Schnelle Tonrepetitionen, prägnante und schneidende Akkorde, grelle Farbmischungen und eine rasante Wendigkeit – Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott scheinen völlig auszureichen, um diesen musikalischen Hexensabbat adäquat zu Gehör zu bringen.
Wer nun allerdings denkt, Joachim Linckelmanns Bearbeitung sei um den Preis höchster Anforderungen an die fünf InstrumentalistInnen zustande gekommen, sieht sich angenehm überrascht. Gewiss lässt sich diese Quintettfassung nur von einigermaßen geübten BläserInnen und versierten EnsemblespielerInnen befriedigend umsetzen, fünf fortgeschrittene Virtuosen sind für einen überzeugenden musikalischen Spuk allerdings dann doch nicht vonnöten.
Naturgemäß wird den drei hohen Holzbläsern die Hauptarbeit in Sachen Beweglichkeit abverlangt, jedoch sind die beiden Stimmen von Oboe und Klarinette gerade im Tonumfang noch übersichtlich gehalten. Vom Fagott wird eine gewisse Wendigkeit und Tendenz zur klaren Zeichnung erwartet, während das Horn mit überschaubaren Mitteln für Volumen im Quintettsatz zu sorgen hat. Und alle fünf Bläser zusammen muss natürlich die Lust am Entdecken greller (Orchester-)Farben reizen.
Daniel Knödler