Pitscheneder, Eva

„Reden wir offen über unseren Unterricht!“

Kollegialer Austausch und Intervision als Chance der beruflichen Weiterentwicklung

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2014 , Seite 42

Austausch bei Lehrerstammtischen hat es immer schon gegeben; der Unterschied zur Intervision liegt im Anspruch und den Rahmen­bedingungen, die größere Offenheit, Verlässlichkeit und dadurch höhere Qualität ermöglichen. Durch die strukturierte Form und die Verbind­lichkeit entstehen eine Gesprächs­kultur und eine Bindung innerhalb der Gruppe, die effektives und kons­tantes Arbeiten an Themen ermöglichen.

John Hattie kritisiert in seiner Bildungsstudie, dass im Schulwesen der Akt des Unterrichtens wie eine „private Angelegenheit“ behandelt werde, die hinter verschlossenen Türen stattfinde.1 Erstaunlich ist auch, dass laut dieser Studie Lehrende im Gegensatz zu ihren Schülerinnen und Schülern bzw. deren Eltern die Beziehungsqualität im Unterricht als kaum relevant für den Lernerfolg erachten.2 Auf den Musikschulbereich umgelegt verstärken sich diese Argumente, da überwiegend im intimen Rahmen (Einzel- oder Kleingruppenunterricht) gearbeitet wird.
Beziehungsarbeit im Rahmen des Unterrichts an Musikschulen ist sowohl größte Quelle der Belastungen als auch der Bereicherungen,3 wobei die Anforderungen immer komplexer werden. Die Bandbreite an Erziehungs­modellen steigt, weshalb Lehrpersonen mit immer unterschiedlicheren Beziehungsrea­litäten ihrer Schülerinnen und Schüler konfrontiert sind. Neben der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten wird zunehmend eine Erziehungsaufgabe von Lehrpersonen eingefordert.4 Es bedarf mehr Kreativität und Kompetenz der Lehrkräfte zur Etablierung einer konstruktiven Lehrer-Schüler-Beziehung als Basis für gelingenden Musikunterricht.

Anpassungsleistungen sind gefordert

Das Rollenbild von Lehrpersonen hat sich grundlegend verändert: Wurde eine Lehrkraft noch vor zwei Jahrzehnten aufgrund ihres Berufs als Autorität angesehen, so wird dies heute bereits in der Grundschule von den Kindern in Frage gestellt. Lehrkräfte, die mit dieser Art der rollenabhängigen Autorität aufgewachsen sind, empfinden dieses Verhalten als frech und unangepasst. Der Familientherapeut und ehemalige Lehrer Jesper Juul plädiert in diesem Zusammenhang für eine Neudefinition der beruflichen Autorität, die durch eine personenabhängige Autorität ersetzt werden muss.5

1 vgl. John Hattie: Lernen sichtbar machen, Hohengehren 2013, S. 1.
2 vgl. Hattie, S. 141.
3 vgl. Anna Maria Hofstätter: Freud und Leid des Musikschullehrers, Weinberg 2001, S. 120.
4 vgl. Barbara Tillich: Die Auswirkung der Lehrer-Schüler-Beziehung auf die Leistung und das Sozialverhalten der einzelnen Schüler in der Schule, Diplomarbeit an der Uni Wien 2005, S. 55.
5 vgl. Jesper Juul: Schulinfarkt, München 2013, S. 142 f.

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