Krause, Martina / Lars Oberhaus (Hg.)

Musik und Gefühl

Interdisziplinäre Annäherungen in musikpädagogischer ­Perspektive

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Olms, Hildesheim 2012
erschienen in: üben & musizieren 1/2013 , Seite 54

Zum Thema „Musik und Gefühl“ fand im Frühjahr 2011 in Bielefeld im Zentrum für Interdiszip­linäre Forschung (ZIP) eine Tagung statt. Diese bildet den Grundstein für den von Martina Krause und Lars Oberhaus herausgegebenen Tagungsband.
ReferentInnen unterschiedlicher Fachrichtungen wie Philosophie und Musikpädagogik nähern sich dem Thema aus ihrer speziellen Perspektive an. Fachlich informierte LeserInnen finden hier beispielsweise Autoren wie Christian Rolle, Stephan Orgass oder Helmut Bruhn. Letzterer ist Mitherausgeber des neuen Hand­buchs Musikpsychologie – ein Standardwerk. Somit bietet das vorliegende Buch auch eine Synthese „gereifter“ Denkanstöße mit den Gedanken einer jungen Wissenschaftlergeneration, vertreten z. B. durch Julia von Hasselbach, die eine Gastprofessur für „Künstlerische Transforma­tionsprozesse“ an der Universität der Künste in Berlin innehatte. Innovatives Gedankengut ist somit zu entdecken.
Für wen lohnt sich die Lektüre des vorliegenden Buchs? Sicherlich für SchulmusikerInnen, welche sich im schulischen Unterricht mit der Thematik auseinandersetzen. Hier sei beispielsweise der Artikel von Alexandra Kerz-Wenzel genannt mit dem Titel „Education of Feelings“ oder Stefan Orgass’ Diskussion des Themas „Musik und Gefühle im Musikunterricht“.
InstrumentalpädagogInnen werden fündig bei Christine Moritz’ sehr wissenschaftlich gehaltener Analyse der „Emotionen im Klavierunterricht“. Dagegen können Geigenlehrkräfte sich mit den Möglichkeiten der „Beziehungsfähigkeit und Lebendigkeit von Tönen auf dem Streichinstrumenten“ auseinandersetzen. Dies hat laut Hasselbach zu einer Forschungsrichtung geführt, welche verschiedene Fachrichtungen integriert und als „Art Biomechanics“ bezeichnet wird. Die beiden letztgenannten Referate verlangen jedoch eine gewisse Einarbeitungszeit, da die Erfassung und Erstellung wissenschaftlicher Texte im Studium selten geübt wurde und für viele später ungewohnt bleibt. Spätestens zum Zeitpunkt der Studienabschlussarbeiten fällt dies auf – und auf jenem Niveau bewegen sich diese Artikel.
Der engagierte Laie findet ebenfalls gute Gedanken, die sein aktives Musizieren oder Musikhören bereichern. So betritt man sicherlich nach der Lektüre einzelner Referate einen Konzertsaal „mit anderen Ohren“ als vorher und wird die Künstler auf ihren emotionalen Ausdruck hin beobachten. Oder man nimmt sich selbst anders wahr in seinen Hörgewohnheiten, welche mit Gefühlsempfinden verbunden sein können. Oder eben nicht verbunden sind: Diese These werfen der Wiener Instrumentalpädagoge Peter Röbke sowie der Philosoph Rüdiger Bittner in den Raum, indem sie Musik per se als nicht gekoppelt mit Gefühlen darstellen. Ein erfrischender Diskussionsansatz!
Gudrun Müller