Gasenzer, Elena

Juckende(s) Blasen und schmerzende Quaddeln

Zur Problematik von Kontaktallergien bei Instrumentalisten

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 5/2012 , Seite 48

Allergien sind ein Phänomen unserer Zeit, das in den vergangenen Jahren stetig zunimmt. Bei MusikerInnen ist das Krankheitsbild der allergischen Kontaktdermatitis ein häufig auf­tretendes Problem.

Allergien sind übertriebene Abwehrreaktionen des Immunsystems aufgrund einer Konfrontation mit sonst harmlosen Umweltstoffen, die sich in Atemwegen, an Schleimhäuten, an der Haut oder auch im Darm abspielen. Entsprechend zeigen sich Symptome wie Schleimhautschwellungen, Asthma-Anfälle, Hautreaktionen oder Durchfall. Im schlimms­ten Fall kommt es zu einem lebensbedroh­lichen allergischen Schock.
Ausgelöst wird die allergische Reaktion durch Allergene, gegen die sich die Immunantwort richtet. Aufgrund der fehlgeleiteten Reaktion des Immunsystems kommt es nach dem Kontakt mit einem Antigen zur Bildung von IgE-Antikörpern gegen das eigentlich harmlose Antigen, das nun ein Allergen ist: Es werden allergen-spezifische IgE-Antikörper gebildet.1 Das IgE wird von anderen Zellen erkannt, die dann auf den „bösen Eindringling“ reagieren.2

Kontaktekzem

Bei MusikerInnen tritt die allergische Kontaktdermatitis, auch Kontaktekzem, als besonderes Krankheitsbild auf. Ausgelöst wird das Kontaktekzem durch ein auf die Haut einwirkendes Kontaktallergen.3 Zahlreiche Materialien können bei empfindlichen Personen bei andauerndem Hautkontakt eine Kontaktallergie auslösen. Bei fast allen Holzblasinstrumenten hat die besonders empfindliche Haut der Lippen direkten Kontakt zum Instrument. Beim Spiel von Querflöte und Blechblasinstrumenten sind die Hautpartien rund um die Mundregion betroffen. Auch die hohen Streichinstrumente können Probleme bereiten. Hier bestehen großflächige Hautkontakte im Bereich der linken, unteren Gesichtspartien, am Kinn und am Hals. Besonders bekannt ist in diesem Zusammenhang der „Geigenfleck“, der häufig als allergische Reaktion auf das Material des Kinnhalters bei Geigern und Bratschern zu beobachten ist.
Typische Symptome sind Rötung, Schwellung, Knötchen, Quaddeln und Bläschen oder auch Schuppung an den betroffenen Hautpartien. Dabei verläuft die Symptomatik in Stadien, ausgehend von nässenden Bläschen bis hin zu trockener Schuppung oder schmerzhaften Hautrissen. Die betroffenen Hautpartien können mitunter heftig jucken. Bei schweren Reaktionen kommt es zu Entzündungsreaktionen mit brennenden Schmerzen, etwa vergleichbar mit einem Sonnenbrand, die auch über die Kontaktstellen hinaus auftreten kön­nen. Wird der Kontakt zum Allergen nicht abgestellt, kann das Ekzem chronisch werden.
Querflötisten und Blechbläser sind häufig von der Nickel-Kontaktdermatitis betroffen. Nickel wird zur Optimierung der Material­eigenschaften sämtlichen Metallprodukten beigefügt. Besonders preisgünstige Instrumente für Anfänger enthalten in hohem Maße Nickel. Nach längerem Hautkontakt lösen sich die Allergene durch Erwärmung oder durch Schweiß und Speichel aus dem Material heraus.4
Eine Kontaktallergie läuft immer in zwei Schritten ab: Zunächst kommt es zu einer Sensibilisierungsphase, die vom Betroffenen unbemerkt verläuft. In den Lymphknoten werden die spezifischen T-Zellen aktiviert. Sie stehen von nun an „auf dem Wachtposten“, um bei erneutem Kontakt mit dem Aller­gen schnell aktiviert zu werden: Die Auslösephase beginnt. Typischerweise tritt die Hautreaktion erst zwei bis drei Tage nach dem erneuten Allergenkontakt auf. Durch diese Verzögerung tragen viele Betroffene die lästigen Ekzeme oft lange mit sich herum, ohne zu ahnen, welches Material Schuld an ihren Beschwerden haben könnte. Allergenspezifische T-Zellen haben ein „langes Gedächtnis“: Selbst nach jahrelangem Meiden des allergieauslösenden Materials kann die Allergie bei erneutem Kontakt wieder auftreten.

1 Werner Müller-Esterl: „Molekulare Grundlagen des ­Immunsystems“, in: Biochemie, IV.33, 2003, S. 458; (IgE = Immunglobulin E).
2 M. S. Wilson/R. M. Maizels: „The innate immune sys­tem and its role in allergic disorders“, in: Clinical Reviews in Allergy and Immunology, 2004; 26(1), S. 35-50.
3 Konrad Bork: „Dermatologische Erkrankungen und Allergien“, in: Jochen Blum: Medizinische Probleme bei Musikern, Stuttgart 1995, S. 228.
4 Georg Löffler/Petro E. Petrides: Biochemie und Pathobiochemie, Heidelberg 72003, S. 1155.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2012.