Mantel, Gerhard

Etüden üben

Grundlagen der Cellotechnik in ausgewählten Etüden, Band 1-3/Kommentarband

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2011
erschienen in: üben & musizieren 3/2012 , Seite 63

Man kann, bei allem Respekt vor Superlativen, von einem Lebenswerk sprechen: Teilweise noch während seiner Frankfurter Hochschulzeit (bis 1996), teilweise in den Jahren danach hat der Cellist und Pädagoge Gerhard Mantel eine beeindruckende Reihe von Büchern und Unterrichtswerken vorgelegt, der die Cellopädagogik und die Inst­rumentalpädagogik insgesamt manch neuen Impuls verdanken. Ja, mehr noch: In seiner Gesamtheit hat dieses Œuvre im Hinblick auf Methoden und Strategien des Übens kaum seinesgleichen. Cello mit Spaß und Hugo, Duettüden, Rhythmusspiele, das umfangreiche Buch Cello üben – all diese Publikationen zeugen von der rechten Mischung aus Gedankenschärfe, Fantasie, weitem Wissenshorizont, undogmatischer Herangehensweise und, nicht zuletzt, Humor.
Anknüpfend an Cello üben legt Mantel nun eine Arbeit vor, die in dieser Form und Akribie neu und, um es vorwegzunehmen, höchst begrüßenswert ist: eine nach technischen Einzelthemen geordnete und kommentierte Etüdensammlung. Alle bekannten Etüdenautoren sind vertreten – Dotzauer, Lee, Piatti, Popper, um nur wenige zu nennen –, außerdem so bemerkenswerte Werke wie Isang Yuns Sieben Etüden für Violoncello solo. Etüden üben enthält insgesamt 103 Stücke, in denen schlechthin alle größeren und kleineren Prob­leme des Cellospiels behandelt und, in Mantels Anmerkungen sowie ausführlicher im Kommentarband, methodisch durchleuchtet werden.
Zu Recht weist der Autor darauf hin, dass Etüden sowohl Musik als auch Arbeitsmaterial sind, will sagen: als Vortragsstücke der Weiterentwicklung technischer wie musikalischer Kompetenzen dienen, zugleich aber mit Blick auf die technischen Aspekte analytisch zerpflückt werden dürfen, um nicht zu sagen: müssen. Hier begegnen wir einem ­typischen „Mantel-Wort“, der Reißverschlussmethode: Übend wechseln wir ständig von der einen zur anderen Seite, indem einerseits die behandelten Parameter (Vibrato, Bogenwechsel, Stricharten u. a.) auf einen Ton oder wenige Töne reduziert werden und dann die Aufmerksamkeit sich wieder dem Originaltext und seinen Varianten zuwendet.
Ähnlich erhellend wirken Mantel-Worte wie „Klanglupe“, „Griffbrett-Geographie“ und nicht zuletzt die so genannte „rotierende Aufmerksamkeit“: Beim Fokussieren eines bestimmten Aspekts sollen Fehler bei anderen Parametern bewusst in Kauf genommen werden. Danach rotiert der Fokus, der nächste Parameter ist dran. „Wir lernen“, so Gerhard Mantel, „durch Variieren mehr als durch starres Verfolgen eines zu eng definierten Ziels!“
Für jeden, der mit Spaß und Wissbegierde Etüden übt beziehungsweise diesen Spaß an Schüler weiterzugeben trachtet, ist Mantels Etüden-Werk ein Treffer. Hilfreich wäre gewesen, im Inhaltsverzeichnis die Namen der Etüden-Autoren anzugeben, auf dass man sich einen schnellen Überblick hätte verschaffen können.
Gerhard Anders