Freytag, Martina

Chorleitung effizient und lebensnah

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bosse, Kassel 2011
erschienen in: üben & musizieren 2/2012 , Seite 61

Martina Freytag ist keine Unbekannte in der chorpädagogischen Landschaft. Im aktuellen Buch geht es um eine zeitgemäße, viele Stilistiken überspannende und vor allem psychologisch einfühlsam ausgerichtete Chorarbeit. Mit einer kräftigen Portion Humor gibt Freytag den Ansatz ihrer Konzeption in vier Umschreibungen zu erkennen, die sich – um eigene Formulierungen erweitert – jeder Chorleiter vorlegen sollte: „Die Chorprobe – eine Ochsentour durch die Noten mit oder ohne hörbaren Erfolg“ – „Die Chorprobe – der allwöchentliche Nahkampf mit oder ohne sichtbare Folgen“ – „Die Chorprobe – eine erotische Abendveranstaltung mit oder ohne Folgen“ – „Die Chorprobe – ein in Musik verpacktes Fest der Sinne mit der Stimme“.
Ihre Definition gelingender Chorarbeit klingt ein wenig technokratisch, ist aber in dieser Zent­rierung sicherlich eine sinnvolle Bündelung gerade für alle, die mit Laien und heterogenen musikalischen Voraussetzungen an ihre Tätigkeit herangehen: „Unter einem optimal funktionierenden Chor verstehe ich ein sozial kompetentes, humorvolles Ensemble, welches in Proben und Auftrittssituationen kompatibel reagiert.“ So ist denn auch das erste Kapitel der Kommunikation mit den zahlreichen Facetten eines chorischen Beziehungsgeflechts gewidmet.
Im zweiten Kapitel diskutiert die Verfasserin das eigene Energiefeld eines jeden Chors, seine Stärkung und seine Gefährdung durch energiezehrende Situationen und Verhaltensweisen bei Proben und Konzert. Schließlich führt sie auch den im Vorwort schon anklingenden Gedanken einer „Erotik der Chorarbeit“ im dritten Kapitel aus. Es ist bemerkenswert, wie die Autorin über diesen Aspekt reflektiert und ­ihre Ansicht verdeutlicht – eine Problemerörterung, die man so in anderen chordidaktischen Werken nicht finden wird: „Jede stimmliche Äußerung ist Ausdruck der Sinnlichkeit. Der Mensch zeigt sich in seinem Wesen und […] Verlangen nach Annahme, nach Anerkennung und nach Liebe. Für viele Menschen ist das die Triebfeder schlechthin, um Musik auszuüben…“
Der Kompetenz der Chorleitung, aber auch des Chors ist dann ein in sich differenziert aufgefächertes Kapitel gewidmet, das von der persönlichen Ambition über Probenpraxis bis zu organisatorischen Fragen reicht und die Eigendynamik des Chors in puncto Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Selbstdisziplin und anderen lebenswichtigen Chorfragen thematisiert. 12 goldene Regeln für eine im Sinne des Buchtitels zu verstehende gelingende Chorarbeit, ein Literaturverzeichnis mit zeitnaher ergänzender Literatur besonders auch zu den häufig eher knapp behandelten Themen Psychologie und Management runden das Buch ab.
Freytags Buch ist sehr angenehm zu lesen und bietet mit einer Art Bewertungsbogen zur chorischen Qualität abschließend eine gleichsam lexikalische Kurzdarstellung der Inhalte und gleichzeitig ein Repetitorium, das man zum schnellen Auffrischen immer wieder zur Hand nehmen wird.
Thomas Holland-Moritz