Rennschuh, Helmut

Klavierspielen, Alexander-Technik und Zen

Frei von störenden Mustern die Musik geschehen lassen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner, Augsburg 2011
erschienen in: üben & musizieren 1/2012 , Seite 54

Die Pianistin und Klavierpädagogin Elgin Roth teilt in ihrem Buch Klavierspiel und Körperbewusstsein klaviermethodische Veröffentlichungen der vergangenen drei Jahrhunderte ein in solche, die vom Detail zum Ganzen voranschreiten, und jene, die vom Ganzen zum Detail gehen. Letzteren lässt sich im besten Sinne auch das Buch von Helmut Rennschuh Klavierspielen, Ale­xander-Technik und Zen zuordnen. Der Untertitel „Frei von störenden Mustern die Musik geschehen lassen“ deutet den ganzheitlichen Ansatz an, der sich dadurch auszeichnet, das Klavierspielen als hochspezia­lisierte künstlerische Tätigkeit nicht vom Menschsein insgesamt zu unterscheiden und zu trennen.
Grundlage dieses Denkens sind Ideen, Vorannahmen und Vorgehensweisen der Alexandertechnik – einer Methode zum Umlernen von ungünstigen somatischen und mentalen Mustern – und des Zen, der Meditationspraxis des Buddhismus. In beiden Bereichen ist Rennschuh bewandert, in der Alexandertechnik als Lehrender und im Zen als Praktizierender.
Ausgangspunkt von Rennschuhs Darstellung sind seine eigenen Übe- und Lernerfahrungen als (fortgeschrittener) Amateurpianist. Er bemerkte in einem längeren und mühsamen Erkenntnisprozess – vor allem beim Erlernen der Etüden von Chopin –, dass er seine pianistischen Fähigkeiten deswegen bisher nicht voll entfalten konnte, weil er zuviel tat: ein Zuviel an Wollen, ein Zuviel an mentalen und daraus folgend muskulären Anstrengungen. Statt weiter dem „Teufelskreis der Anstrengung“ ausgeliefert zu sein, entdeckte Rennschuh „Hilfe aus unerwarteter Richtung“: das langsame und leise Üben, das Nicht-Tun – statt zu versuchen, es besser zu machen – sowie durch die Zenpraxis die (annäherungsweise) Befreiung von der Dominanz des Ich, welche eine beeindruckende pianistische Öffnung und Weiterentwicklung möglich machte.
Diese Ideen entfaltet Rennschuh in konkretem pianistischen Praxisbezug mit großem stilistischen Können. Überlegungen zu pianistischen Wunderkindern und genial Begabten, zum mentalen Üben sowie der Anhang mit Beispielen berühmter Pianisten zur natürlichen Klaviertechnik runden die Veröffentlichung ab. Sie verdeutlicht in hervorragender Weise die Einheit des Persönlichen, Menschlichen mit dem Pianistischen, Künstlerischen und zeigt für Amateure und Profis einen (übe)praktischen Weg auf.
Gerade die Klavierpädagogik täte gut daran – auch und vielleicht besonders in der musikalischen Breitenarbeit –, Rennschuhs Ideen zu nutzen. Hier wäre eine Folgeveröffentlichung wünschenswert, in der (weitere) didaktisch-methodische Ideen für den Klavierunterricht, für Lehr- und Lernmaterialien sowie für das Selbstverständnis des Lehrenden entfaltet werden.
Bernd Dahlhaus