Reuther, Inga Mareile

JEKISS

Jedem Kind seine Stimme. Sing mit!, Konzeptband/Liederbuch/DVD/CD-Paket/Lehrer­paket

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bosse, Kassel 2011
erschienen in: üben & musizieren 1/2012 , Seite 56

So mancher mag lange darauf gewartet haben, dass ein erfolgreiches Projekt wie JEKISS endlich auch durch schriftliche Fixierung für andere handhabbar gemacht wird. Nun ist es soweit: Der Bosse Verlag hat mit einem ansehnlichen Paket eine Möglichkeit geschaffen, diese Singarbeit an Grundschulen nach einem einheitlichen Konzept auch auf andere Bundesländer, Städte und Gemeinden zu übertragen.
Wer es noch nicht kennt: JEKISS ist eine Initiative der Autorin, die als Lehrkraft für Gesang und ­Kinderchor an der Musikschule Münster aus Sorge um die wachsende Vernachlässigung des Stimmvermögens der Kinder ihren Blick auf die Grundschulen richtete. Durch Kooperation mit der Musikschule vor Ort gelang so eine Verstärkung und Verbreiterung der Singarbeit, die sich durchaus dem Projekt JeKi an die Seite stellen lässt.
JEKISS ist nicht das einzige Projekt dieser Art im Bereich der Singanimation, hat aber durchaus exemplarischen Charakter. Der Erfolg an zahlreichen Grundschulen der Stadt Münster und die Resonanz in der Öffentlichkeit und im politischen Raum gibt der Unternehmung zusätzlich Auftrieb und – wie zu hoffen ist – Nachhaltigkeit!
Wie JEKISS im Gefüge einer Grundschule funktioniert, wird im Konzeptband ausführlich dargestellt – hier nur so viel: Es ist im Wesentlichen eine Vorbild-Nachahmungssituation, da ein Schulchor quasi als modellhafte Singgruppe aufgebaut wird, aus dessen Mitte dann einzelne Kinder in den verschiedenen Grundschulklassen sichere „Stimmführungspositionen“ übernehmen, um auch die übrigen Kinder kontinuierlich zu qualitativ besserem Singen zu ermutigen. Gezeigt wird dies an praktischen Beispielen auf der DVD.
JEKISS verzichtet bewusst auf Notenlehre bzw. Musiktheorie, um „eine hohe Lernbegeisterung der Kinder, egal mit welchen Voraussetzungen und mit welchem ­familiären Hintergrund sie starten“, zu gewährleisten. Ein Ansatz, der eine große Offenheit propagiert und das Singen aus seinem Nischendasein herausführen möchte. Das kann – wie dieses Experiment zeigt – durchaus gelingen, wenn gemeinsames Singen in Form von regelmäßigem Schulsingen den normalen Alltag des schulischen Lebens eindringlich prägt.
Die Initiatorin nennt vier Punkte, die hier von elementarer Bedeutung sind, um den gewünschten Erfolg zu erzielen: „Die gemeinsamen Schulsingen sind inszeniert, ritualisiert und für Kinder kurzweilig; ermöglichen die Iden­tifikation mit der ganzen Schulgemeinschaft; gewinnen mit der Regelmäßigkeit an Akzeptanz und werden ebenso selbstverständlich und cool wie Sportfeste; sichern mit ihrer kontinuierlichen Wiederkehr auch das regelmäßige Singen in der Klasse.“
Verschwiegen wird hierbei auch nicht, dass die organisatorischen Voraussetzungen und die Motivation der Grundschullehrkräfte sich nicht von selbst einstellen und dass Schwellenängste vor allem aus Furcht, selbst nicht genügend qualifiziert oder gar nicht singen zu können, erst einmal überwunden werden müssen. Hier wird es auf das Charisma, aber auch die Geduld der jeweiligen Singleiterin bzw. des jeweiligen Singleiters ankommen.
Inga Mareile Reuther selbst ist natürlich eine solche Person und deshalb wird man auch von der begeisternd-sympathischen Art, mit der sie auf der DVD die einzelnen Aspekt qualitätvoll-basalen Singunterrichts demonst­riert, schnell gefangen sein. Ihre Instruktionen reichen von Bewusstmachen der Stimmregister, der kindgemäßen Singlage, dem Umgang mit elementaren Schlag­mustern („Dirigieren“) bis zu Begleitpatterns am Klavier und Bewegungsideen („Moves“) zu einzelnen Liedgestaltungen.
So ist der Konzeptband eine gut durchdachte systematische Hilfe, aus der unabhängig von JEKISS auch jeder Kinderchorleiter für seine Arbeit unter anderen Bedingungen eine Menge Stoff entnehmen kann. Die CD bietet alle Lieder des Liederbuchs mit Begleitsätzen am Klavier als Hilfe beim Einstudieren und gegebenenfalls als Playbackunterstützung (vielleicht auf Dauer trotz der guten Einspielung ein wenig zu eintönig).
Das Liederbuch bemüht sich, eine möglichst große Bandbreite des Liedmaterials zur Verfügung zu stellen. Das ist ein löbliches Unternehmen, kann aber doch ein gewisse Beliebigkeit nicht ganz vermeiden und ist vielleicht im Angebot der „fetzigen“ Lieder ein wenig zu sorglos, was vor allem die melodische Qualität angeht. Alles in allem aber wird ­JEKISS und auch diese Materialsammlung bei allen weiteren Bemühungen um die Entwicklung des Singens mit Kindern und beim Aufbau vieler singender Grundschulen Berücksichtigung finden müssen.
Thomas Holland-Moritz