Wecker, Konstantin

Tasten. Spielen

Klavierimprovisationen zu "Leben im Leben", "Wenn der Sommer nicht mehr weit ist" u. a. Liedern

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Doblinger, Wien 2011
erschienen in: üben & musizieren 1/2012 , Seite 59

Konstantin Wecker steht als Liedermacher mit Titeln wie Willy oder Genug ist nicht genug seit den siebziger Jahren für unbequeme, oft politische Texte und leidenschaftliches Klavierspiel. Immer noch tourt der inzwischen über Sechzigjährige mit ungebrochener Energie durch Österreich und Deutschland. Bei Doblinger ist nun mit Tasten. Spielen ein Klavierbuch mit transkribierten Improvisationen über eigene Lieder erschienen.
Klavier spielt Wecker seit seiner Kindheit, das Instrument ist sein künstlerisches Zuhause. Er begleitet seine Lieder frei und sieht sich selbst mehr als improvisierenden Klavierspieler denn als Komponisten. Im Vorwort zu Tas­ten. Spielen schreibt er darüber, wie viel ihm diese kostbaren Augenblicke in seinen Konzerten bedeuten, dass sie es ihm ermöglichen, alles um sich herum zu vergessen und sich musikalisch forttragen zu lassen. In Bezug auf die Sammlung seiner Improvisationen als Klavierstücke fragt er: „Wer weiß, wie viele Kla­vierstücke der Literatur eigentlich auch ,nur‘ aufgeschriebene Improvisationen sind?“ Wecker wünscht sich, mit seinen „schlich­ten Stücken“ das Repertoire erweitern zu können, hauptsächlich aber sieht er seine Musik als Ausgangspunkt für eigene kleine Improvisationen, als Anhaltspunkte für eigene musikalische Wege.
Stilistisch bewegen sich die vorliegenden Stücke zwischen Pop, Rock, Minimal Music und Anklängen an die romantische Klaviertradition. Sie sind für den Unterricht ab der Klavier-Mittelstufe, insbesondere aber für den Erwachsenenunterricht als ergänzende Literatur empfehlenswert. Mehrfach taucht in den Stücken das Modell einer rhythmisch strengen Akkordbegleitung mit freier, unabhängig geführter Melodie auf, das sich wunderbar als Vorstufe zum Meistern ähnlicher Problematik in klassischer Musikliteratur verwenden ließe.
Mehrere minimalistisch auf durchgehenden Mustern basierende Stücke (Hinter dem Bahnhof liegt das Meer) stellen motorische und rhythmische sowie artikulatorische (Sieben Tage – Tag 6) Herausforderungen dar und können als anspruchsvolle zeitgenössische Etüden verwendet werden. Außerdem gibt es einige in sich geschlossene, kleine Vortragsstücke, zum Beispiel Valentin ist gestorben oder die Improvisation in Tangoform (Nr. 2) zu Hinter dem Bahnhof liegt das Meer.
Etwas schwierig wird das Nachempfinden der wirklich frei fantasierenden Nummern, die aufgeschrieben komplizierter aussehen, als sie es tatsächlich sind, und dem Laien wegen des unübersichtlichen und heterogenen Notenbildes verschlossen bleiben werden. Alle Stücke können in der von Wecker gespielten Originalversion bei Doblinger im Netz heruntergeladen werden. Die impulsive und mehrschichtige Art von Weckers Klavierspiel gibt seiner Musik eine expressive Dimension, die aus dem Notentext nicht ablesbar ist.
Anja Kleinmichel