Tweed, Karen

Nur für Anfänger. Akkordeon

Eine umfassende, reich ­bebilderte Anleitung zum Akkordeonspielen, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bosworth, Berlin 2011
erschienen in: üben & musizieren 5/2011 , Seite 61

Eine „Anleitung zum Akkordeonspielen“ in deutscher Sprache zu schreiben, also für Länder, in denen das Akkordeon auf den Feldern Literatur, Spiel- und Unterrichtsmethodik längst ein Niveau erreicht hat, das sich mit etablierten Musikinstrumenten messen lassen kann, bedürfte einer Erkundung der künstlerischen und pädagogischen Szene auf dem gemeinten Instrument und des nachfolgenden Entscheids, ob man der Abfassung einer solchen Schule gewachsen wäre. Musikinstrumente, denen in Laienkreisen immer noch das Attribut „leichter Erlernbarkeit“ anhängt wie Akkordeon, Gitarre oder Schlagzeug, bringen es immer wieder zu banal-exotischen Knallkörpern von Anleitungen oder Schulen, die dann beim Inst­rumentenverkauf als Zugabe den Handel abrunden.
Eine Anleitung, die aus Kompakt­portionen von Musikgeschichte, Theorie und Notenbeispielen besteht, hat allenfalls mit den Anfängen instrumental-methodischer Anleitungen des 19. Jahrhunderts, nichts aber mit aufbereiteten musikpädagogischen In­halten zu tun. Die praxisferne Theoriedarstellung in Form von Achtel-Viertel-Ganze-Rechenbeispielen wird Über- und Untersatz erfordernden Durtonleitern (C, G und D) – „leichten Übungen“ – vorausgestellt. Die melodische Qualität der vier (!) Spielstücke ist kreativlos, ihre Harmoniefolge oft unpassend und deren Bass-Akkord-Bezeichnungen mit x für Durakkord ziellos-primitiv. Wenn im dritten Stück („The Soldier’s Joy“) bereits Dreiklangsbrechungen in Achteln mit Fingerübersatz verlangt werden, so zeugt dies von Erfahrungslosigkeit in diesem Metier.
Man fragt sich, wo der Filter zu wirken hätte: vom Erstellen einer solchen Kompilation aus betexteten Bildchen, dreieinhalb Seiten unkindgemäßer Theorie  und vier Stücken ohne die Idee einer Progressivität, alles kompakt-isoliert, bis hin zur Präsentation im Musikgeschäft oder im Internet. (Das Anhören der beiliegenden CD kann jeden Fachmann nur auf quälende Gedanken an sinnlose Stromkosten bringen.) Verniedlichend bis he­rabwürdigend muss der Titelhinweis „Nur für Anfänger“ wirken, wenn man um die methodischen und inhaltlichen Höchstansprüche des Einstiegs weiß.
Der spätestmögliche Stopp eines solchen Erzeugnisses hat im Musikverlag zu erfolgen; alles andere entspränge Geldgier, die potenzielle SchülerInnen durch das Hinblättern von 14,95 Euro als erste schädigt. Jede Akkor­deonlehrkraft würde sich in die Falle getappt fühlen, wenn sie diese „Anleitung“ ohne näheres Hinsehen erwerben würde.
Das Erlernen eines Musikinstruments ist Bildungsangelegenheit, und in diesem Sinn hat ein  Musikverlag – vor jedem legitimen Anspruch auf finanziellen Erfolg – eine Verantwortung hinsichtlich entsprechender Qualität. Das auf dem Umschlagrücken angebrachte Lob über die Verfasserin als „preisgekrönte britische Königin des Pianoakkor­deons“ müsste eigentlich Blendwerkverdacht genug sein.
Maximilian Schnurrer