Scharfglass, Matt

Gitarre für Kinder

Die beste Methode für junge Gitarristen, mit MP3-CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bosworth, Berlin 2010
erschienen in: üben & musizieren 4/2011 , Seite 59

Da kommt eine neue Gitarrenschule daher, die mit dem Slogan „Die beste Methode für junge Gitarristen“ wirbt. Ganz schön selbstsicher. Doch wird sie ihrem selbst gestellten Anspruch gerecht? Nein, nicht im Geringsten. Zahlreiche Fragwürdigkeiten und Fehler durchziehen die Schule. Der erste ist sofort erkennbar: Neun Kinder zieren Vorder- und Rückseite, vier halten spielend eine Gitarre – kein Kind auch nur annähernd in einer für das Gitarrenspiel richtigen Art und Weise. Eher scheint es, dass der Fotograf den jungen Models zum ers­ten Mal in ihrem Leben eine Gitarre in die Hand drückte und sagte: Haltet das Ding mal irgendwie, tut so, als ob ihr spielt, und lächelt hübsch. Aber ein Pädagoge bekommt Magenschmerzen, wenn er all die verknickten Handgelenke, auf der Decke klebenden Finger und verrenkten kleinen Körper sieht.
Die Schule ist aufgeteilt in Hinweise für Schüler und Eltern, melodische Übungen, Akkordübungen und „noch mehr coole Songs“. In den Hinweisen an die Eltern erfahren wir, dass Klein-Matt mit sechs Jahren Lieder wie Hot cross buns oder Row, row, row your boat am Klavier bis zum „Geht nicht mehr“ geübt hat. Diese „Baby-Musik“ war aber nichts für ihn, denn schließlich war er „ein seriöser, weltoffener Junge von sechs Jahren“! So finden wir dann statt Baby-Musik in dieser weltbesten Methode für Kinder Stücke wie Oh Haupt voll Blut und Wunden von Johann Sebastian Bach oder Danny Boy, mutmaßlich vom Autor kreiert. Wir erfahren von „Groß-Matt, wie unpassend es sei, Kinderlieder mit Kindern zu lernen, denn „Kinder [sind] heute mehr den je ,auf Draht‘“.
Für die Lehrkräfte bietet Scharfglass Hinweise wie: „Tatsächlich ist der Gebrauch des kleinen Fingers für das Kind fast unmöglich. Ich als Erwachsener habe immer noch genug Probleme mit ihm!“ Deswegen hat er „alle musikalischen Beispiele innerhalb dreier Bünde geschrieben, […] denn schließlich soll das ein Buch für Anfänger sein!“ Gitarre lernen und freiwillig auf den Gebrauch des vierten Fingers verzichten – das ist blanker Unsinn.
Doch lassen wir uns ein auf den Ansatz des Autors: „Melodische Übungen“ in der zweiten Lage mit den Fingern 1 bis 3, den Bünden II, III, IV und Leersaiten. Eine komplizierte Gitarrenwelt tut sich da auf: Tonarten D, A und E mit zwei bis vier Kreuzen. Gleich zu Beginn. Gehen wir mal davon aus, ein Kind schaffte es, sich in dieser zweiten Lage direkt zurechtzufinden, wie soll es dann das nächste Stück verstehen: ers­te Lage, C-Dur, komplett anderer Fingersatz, komplett andere Gitarrenwelt (für ein lernendes Kind). Und dann noch: ohne jegliche Erklärung.
„Akkordübungen“: kein einziges Lied, nur selbst gebastelte, nichtssagende Tonfolgen, die die kleine Schülerin da begleiten soll. – „Noch mehr coole Songs“: dieselbe Art von Tonfolgen. Das war’s. Schon lange hatte ich keine so schlechte Gitarrenschule in den Händen. Es ist mir unverständlich, warum Bosworth so etwas veröffentlicht.
Ulrich Hellberg