Müller, Matthias

6 Etudes de concert

für Klarinette solo

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Hug, Zürich 2010
erschienen in: üben & musizieren 3/2011 , Seite 56

Der Schweizer Klarinettist, Komponist und Hochschullehrer Matthias Müller legt mit den 6 Etudes de concert Studienmaterial für fortgeschrittene StudentInnen und professionelle MusikerInnen vor, die bereits über eine solide Technik verfügen und bereit sind, sich mit spieltechnischen Anforderungen zeitgenössischer Musik auseinanderzusetzen.
In jeder Etüde stehen ein bis zwei Aspekte im Zentrum: „Jumping around“ thematisiert weite Sprünge und differenzierte Artikulation in flottem Tempo. Die überwiegend kleinschrittige Melodiebewegung der zweiten Etüde trainiert die Fingertechnik besonders der kurzen Töne in der Mittellage der Klarinette. Sie soll so schnell wie möglich gespielt den Eindruck eines „Perpetuums“ hervorrufen, was am besten gelingt, wenn man die Zirkuläratmung beherrscht. „Plaine ondulée“ ist im Gegensatz dazu eine ruhig und leise zu spielende Etüde, in der das Legatospiel in langen Phrasen und mit großen Intervallen trainiert wird.
„Vals all’appoggiatura“ ist ein langsamer Walzer, dessen Charakter durch zahlreiche, mitunter sehr lange Appoggiaturen und große Sprungbewegungen im gesamten Tonraum bis zum b”” verschleiert wird. Die fünfte Etüde „Hommage“ ist den Komponisten zugedacht, die die Erweiterung der Klangmöglichkeiten auf der Klarinette vorangetrieben haben. Müller nennt hier Helmut Lachenmann und Karlheinz Stockhausen. Somit baut diese Studie auf neuen Spieltechniken auf. Mit Slaptongue wird ein Glissando über einen großen Tonraum eröffnet. Schnelle Wechsel von normalen Tönen und Flatterzunge schließen sich an, ehe eine Viertelton-Tonleiter zu einem Multiphonic führt. Weiterhin werden neue Griffkombinationen in Verbindung mit den Trillerklappen präsentiert. Diese Etüde schult vor allem die Klangsensibilität. Den Beschluss der Etudes de concert bildet ein „Barbaro“ mit unregelmäßigen Akzentuierungen und Taktwechseln unter Verwendung von Doppel- und Tripelzungentechnik.
Der Gehalt der extrem anspruchsvollen Etüden von Matthias Müller beruht nicht nur auf den technischen Aspekten, sie sind auch kompositorisch so ansprechend gestaltet, dass sie als Solostücke im Konzert, sei es als Zyklus in der hier vorliegenden sinnvoll gestalteten Reihenfolge oder als Einzelstücke, ihre Wirkung entfalten können. Für eine Aufführung muss allerdings das Notenmaterial, sofern man nicht über ein besonders geschultes Gedächtnis verfügt und auswendig spielt, stellenweise kopiert werden, da die Wendestellen besonders auch im „Perpetuum“ nicht realisierbar sind. Der Verlag hätte dies z. B. durch ausklappbare Seiten berücksichtigen können. Matthias Müller hat die Etüden selbst exemplarisch beim CD-Label Neos eingespielt.
Heribert Haase