Schumeckers, Martina

Accordion Trip 1

39 Lieder und Tänze aus Europa für 1-2 Akkordeons, mit 2 CDs

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Holzschuh, Manching 2010
erschienen in: üben & musizieren 3/2011 , Seite 61

Dem Standardbassakkordeon Volkslieder und -tänze aus insbesondere Südosteuropa und Israel zuzueignen, ist keine einfache Baustelle. Der Grund liegt vor allem in dem ausweglosen Hineinzwängen von Begleitharmonien in das Dur-Moll-Schema der standardisierten linken Seite des M-2-Akkordeons. Im vorliegenden Fall dieses 79-seitigen Bandes in praktischer Spiralheftung wird trotz auch arteigen vorgenommener Harmoniewechsel dennoch manches unseren mitteleuropäischen Hörgewohnheiten angepasst (z. B. durch kurze Zwischendominanten, wenig Harmoniebeharren über Kantilenen hinweg).
Die Lieder und Tänze sind gekennzeichnet von stereotyper Vor-Nachschlagsbegleitung. Die kleinen Modi oder kirchentonalen Oktavgattungen der Melodien bedürften zuweilen auch des Streckens mit bordunhafter linker Hand oder für unsere Ohren serbisch beißender Sekundreibungen. Die südosteuropäische Volksmusik strotzt nicht nur vor ungeraden Taktarten, die in der Sammlung ab und zu vertreten sind, sondern auch vor  Phraseneinheiten außerhalb des Vierer- und Achterprinzips, wie 3er-, 5er-, 6er- oder 7er-Phrasen, was innerhalb der 39 Stücke nur bei wenigen und zum Teil nur ansatzweise vorkommt.
Für unsere dur-verwöhnten jungen InstrumentalistInnen gibt es in diesem Band Moll satt, und das ist zusammen mit den melodiebedingten Alterierungen fern der uns verbliebenen T-S-D-T-Volksmusik das pädagogisch Wertvolle. Das bei einem Drittel der Sammlung vorherrschende a-Moll hätte durch andere Grundtonarten ohne Beeinträchtigung des Schwierigkeitsgrads zum Nutzen der Schüler ausgedünnt werden können. Auf dem Feld der vorgegebenen Tempi wird dagegen kreativ gewechselt.
Die Crux von Play-along-Tonprodukten ist das scheinbare Erfordernis eines kerzengeraden Metrums ohne jede agogische Abweichung, ohne sonstige Temposchattierung. Diesbezüglich sind die CDs gelungen, zusätzlich auch durch die Alternativen für Akkordeon 1 bzw. 2. Am ausdrucksstärksten klingen die finnischen Gesangsstücke. Schade ist das durchgängige Beharren auf dem Tremoloregister des Akkordeons; dies ist gerade nicht südosteuropäisch (siehe z. B. der Akkordeonist Boris Karloff). Auch zur Nachahmung der tönebiegenden Klezmer-Klarinette eignet sich dieses Register nur bedingt. Den Musizierenden dieser Stücke ist deshalb dringend Farbigkeit in den Akkordeonregistern anzuraten, z. B. 8′ allein, 8′-4′ und 16′-4′ (oktaviert).
Accordion Trip 1 für Standardbass-Akkordeon ist für Einzelunterricht, Duo oder andere Besetzungen bei geschickter Auswahl ein aparter und wertvoller Kontrast zu manch verbreitetem Klischee von Volksmusik – mit der Aufgabe zum Hinhören.
Maximilian Schnurrer