Berchtein, Boris

Jenseits des Tango

9 Trios für Violine, Violoncello und Klavier, Band 1

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ries & Erler, Berlin 2010
erschienen in: üben & musizieren 3/2011 , Seite 62

Von den angekündigten neun Trios für Violine, Violoncello und Klavier, die der 1963 im ukrainischen Mogilew-Podolskij geborene Tonkünstler Boris Berchtein komponiert hat und welche unter dem Neugier weckenden Titel “Jenseits des Tango” zusammengefasst werden, sind nun die ersten drei Tangos im ersten von drei geplanten Bänden bei Ries & Erler veröffentlicht worden. Der Komponist begründet seine Entscheidung für den Tango damit, dass dieser als „Tanz und Musikrichtung seine ursprüngliche Heimat Südamerika längst verlassen“ habe und „in der ganzen Welt heimisch geworden“ sei. So ist der Tango von der UNESCO zum Bestandteil des Kulturerbes der Menschheit erklärt worden.
Grund genug für Boris Berchtein, seine international ausgerichteten Tangos mit typischen „Tango nuevo“-Elementen – hier in der kammermusikalischen Besetzung eines Klaviertrios – vorzustellen. Einschränkend lässt er die InterpretInnen wissen, dass die Tangos in diesem neunteiligen Zyklus zwar nicht immer im Mittelpunkt stehen, sie aber das ständige Bindeglied darstellen: „Manche Stücke sind Tango pur“, so Berchtein in seinem ausführlichen Vorwort weiter, der darin nicht nur einen leidenschaftlichen Tanz sieht, sondern auch Sinnbild für Freiheit und Befreiung.
Mit diesen relativ bequem und nach einiger Übung angenehm zu musizierenden, trotzdem anspruchsvollen und gleichzeitig unterhaltsamen Stücken möchte Berchtein möglichst viele Zuhörer erreichen. Bei den ersten drei Musikstücken handelt es sich um einen jiddischen Tango namens „Tangele“ mit Elementen osteuropäischer und Klezmer-Musik. Da durch die Stalin-Zeit dieses Kulturgut stark in den Hintergrund getreten ist, der Komponist jedoch jiddische Lieder bereits von seinem Vater kennen gelernt hatte, war es ihm ein Bedürfnis, diesen Tango mit Klezmer-Elementen der Sammlung voranzustellen. Nach Ansicht Berchteins prallen hier zwei Welten aufeinander: die russische Seele mit ihrem Hang zur Melancholie sowie die traditionelle jüdische Lebenshaltung, „selbst in die schlimmste Not ein Lachen hinüber zu retten“. Es folgen ein mit russischer Idiomatik behaftetes Stück namens „Romanze“ sowie ein russischer Tango mit dem schmackhaften Titel „Dunkler Wein“ und ausgesprochenen Akzenten mit Synkopen und kleineren Variationen einer neuerlichen Romanze im Mittelteil.
Trotz des einfach zu spielenden Aufführungsmaterials ist die Stimme des Violoncellos fast ausschließlich im Tenorschlüssel mit dem Spitzenton h’ notiert, was gerade Laien den sofortigen Zugang etwas erschweren könnte. Trotz dieser kleinen Schwierigkeit sind es alles in allem wirklich schöne und angenehm anzuhörende Tangos, die gut in Konzertprogramme eingebunden werden könnten oder sich als Zugaben eignen würden.
Werner Bodendorff