Worms, Marcel (Hg.)

Blues Beyond Borders

A collection of music for solo piano, 3 Bände/mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Peermusic, Hamburg 2010
erschienen in: üben & musizieren 3/2011 , Seite 63

Der umtriebige holländische Pianist Marcel Worms ist als Grenzgänger ein Brückenbauer. Zwar verrät sein Spiel die Herkunft von der E-Musik des 20. Jahrhunderts, doch er tritt auch als Blues- und Jazz-Pianist auf. Besonders interessiert ihn die Verschmelzung beider Sphären. Es entstanden auf seinen Auftrag hin bislang über 170 Klavierstücke von KomponistInnen aus ca. 50 Ländern, von denen in den drei Bänden Blues Beyond Borders 28 in Notenbild und Einspielung vorgelegt werden.
Die Vorgabe war eine offene, nämlich ein – möglicherweise nur loses oder assoziatives – Anknüpfen an die Gattung Blues. Die kompositorischen Lösungen sind sehr vielfältig, sie reichen von der verdrehten Blues-/Boogie-Kopie (Joey Roukens) bis zum differenzierten Nachtstück (Mikhail Kokzhayev), von der Dekonstruktion (Jana Andreevska) bis zum unterbrochenen Perpetuum mobile (Georg Hajdu), von Miniaturen (Haskell Small) bis zum Geräuschhaften (Theo Loevendie). Interessant ist das Zusammentreffen des Blues mit regionalen bzw. nationalen Traditionen, denen einige Komponisten sich zugehörig fühlen. Mohammed Ali Kammoun bringt mit Blues Tûran einen an Bartók erinnernden 7/8-Rock in einer arabischen Skala, als Einziger gibt er freien Raum zu einer Improvisation. Ali Osman nutzt für seinen bruitistischen Afro-arab Blues arabische Rhythmus-Patterns, Abdalla H. El-Masri verwendet ein irakisches Volkslied.
Zu jedem Stück gibt es knappe Notizen, hier werden auch die Titelgebungen erklärt. Die Spieltechniken schließen Flageoletts, Zupfen, leichtes Präparieren mit ein, an kompositorischen Techniken finden sich Reihen, Cluster, Fugati; Tonales steht neben Atonalem, Traditionelleres neben Avantgardistischem. Nicht alle Stücke sind formal geglückt, die meisten aber durchaus.
Marcel Worms spielt auf den CDs besonders in den kontemplativen Stücken sehr klangschön, hat aber auch, wenn nötig, eine harte Attacke. Gegenüber dem Notentext erlaubt er sich im Sinne der Sache einige Freiheiten. Das Timing hält er nicht immer konsequent durch, oft aber groovt es. Sein Spiel ist virtuos, technische Schwierigkeiten meistert er problemlos, er ist ein Pianist, dem man gern zuhört.
Die Ausgabe ist Englisch und Deutsch. Insgesamt ist der Notentext gut lesbar. Der überwiegende Teil der Stücke ist der Neuen Musik zuzurechnen. Sie haben jedoch den Vorteil, mit dem Blues eine fühl- und hörbare Basis zu haben. Durch die Sammlung werden die Kompositionen aus ihrer Vereinzelung befreit, insofern entsteht tatsächlich ein interkulturelles Gespräch. Durch dieses Projekt sind gute, moderne, interessante Klavierstücke entstanden.
Die Anforderungen an die Ausführenden freilich sind hoch, der Schwierigkeitsgrad liegt meistens bei 4 bis 5. Die Anschaffung der Bände sollte für Musikhochschulen ein Muss sein, insbesondere, wenn Jazz-Abteilungen existieren.
Christian Kuntze-Krakau