Schlothfeldt, Matthias

Schritte, Stimmen, Türenknarren

Komponieren im Instrumentalunterricht

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 5/2010 , Seite 32

Komponieren macht Kindern und Jugendlichen Spaß und ist aus musikpäda­gogischer Perspektive sinnvoll. Die damit verbundenen Chancen können auch im Instrumentalunterricht genutzt werden. Als Einstieg wird hier eine Übung vorgeschlagen.

Ist schon mal eine Schülerin oder ein Schüler in Ihren Unterricht gekommen mit dem Wunsch zu komponieren? Hat sie oder er vielleicht den Beginn eines Instrumentalstücks mitgebracht? Einen melodischen Einfall, ein Textfragment – für einen Popsong vielleicht? Und wurde das Vorhaben im Rahmen Ihres Unterrichts weitergeführt?1 Das wäre ernsthaft zu überlegen, weil man sonst Gefahr läuft, gleich eine ganze Reihe an Chancen zu verpassen. Denn Komponieren kann das Verständnis unterschiedlicher Musik in hohem Maße fördern und das Interesse an anderer Musik, die Neugierde darauf wecken.
Die mögliche Bandbreite des Erfindens von Musik ist auch im Instrumentalunterricht unüberschaubar, nicht nur in stilistischer Hinsicht. Improvisation und Komposition können an Werke angebunden werden, die gerade Gegenstand des Unterrichts sind – sei es als Fortsetzung eines Motivs, sei es als umfangreichere Stilübung, sei es gar als Verfassen einer Kadenz für ein Instrumentalkonzert. Man kann von stärker improvisatorischen Übungen ausgehen und zunehmend zum Komponieren übergehen, indem die erfundene Musik erinnert und abgerufen, immer stärker festgelegt und notiert wird. Weil beim Komponieren einmal gefällte Entscheidungen überdacht und verändert werden können,2 schließt das Komponieren ein hohes Maß an Reflexion ein und ist im Unterricht dem Improvisieren gegenüber oft zu bevorzugen.
Die folgende Übung3 ist als Einstieg ins Komponieren gedacht – für Schülerinnen und Schüler ebenso wie für Lehrerinnen und Lehrer. Sie sollten die Übung unbedingt mitmachen, vielleicht sogar vorher schon einmal zuhause ausprobieren. Ein Vorteil der Übung ist, dass sie mit allen Instrumenten (auch mit Gesang bzw. der Stimme) und sowohl im Einzel- als auch im Gruppenunterricht durchgeführt werden kann, ja mit Schülerinnen und Schülern fast jeden Alters. Sie kann nicht nur der jeweiligen Unterrichtssituation angepasst, sondern auch mit ohnehin anstehenden Lerninhalten verbunden werden.

1 Im Fall des Schülers, der einen Popsong schreiben will, dürfte schon das Erfinden und Notieren einer Me­lodie, die Suche nach geeigneten Akkorden etc. mit ­beachtlichen Lernerfolgen verbunden sein. Dass dieser Schüler bereits ein Kompositionsvorhaben mitbringt, von dem er sich, wenn sein Unterricht das zulässt, sicher nicht so leicht abbringen lassen wird, ist geradezu ein Idealfall! Zur Unterscheidung von Gestaltungsaufgaben und Kompositionsvorhaben siehe Matthias Schlothfeldt: Komponieren im Unterricht, Hildesheim 2009, S. 110 ff. In diesem Buch wird Komponieren im Rahmen des Musikunterrichts an Schulen thematisiert. Es ist hauptsächlich an Lehrerinnen und Lehrer an Schulen und Hochschulen gerichtet. Allerdings sind darin noch weitere Vorschläge und Tipps zu finden, die sich zumindest auf den Instrumental- und Gesangsunterricht übertragen lassen.
2 Deshalb spreche ich im Vergleich zur Improvisation gelegentlich vom Komponieren als „planbarer Folge ­revidierbarer Einzelentscheidungen“.
3 Es sei nicht verschwiegen, dass es ähnliche Übungen bereits gibt. Das hat seinen Grund vermutlich darin, dass die Vorgehensweise (Hören und Notieren von Alltagsgeräuschen, eine Minute Dauer etc.) einfach nahe liegt. Vergleichbare Übungen haben György Ligeti und Helmut Lachenmann im Kompositionsunterricht durchgeführt. Vgl. auch die äußerlich ähnlichen, aber mit anderen Zielsetzungen verbundenen Übungen in Diether de la Motte: Wege zum Komponieren, Kassel 1996/ 42004, S. 10 ff.; in Ortwin Nimczik/Wolfgang Rüdiger: Instrumentales Ensemblespiel, Regensburg 1997, S. 19 f. und in Brigitte Bryner-Kronjäger: Querfeldein, Frankfurt am Main 2001, S. 90. Die hier erläuterte Übung wurde zuerst vorgeschlagen in Matthias Schlothfeldt: „Musik schreiben“, in: Klangform-Briefe Nr. 7, Köln 2003, S. 17-30. Die von mir mit gegründete und herausgegebene Zeitschrift richtete sich hauptsächlich an musikalische Laien; entsprechend einfach war die Übung gehalten. Sie war außerdem Ausgangspunkt eines Kompositionsprojekts in der Schule, das vorgestellt wird in Schlothfeldt, Komponieren im Unterricht, S. 45 ff.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2010.