Valentin, Antje

Mein Weg zum Improvisieren

Wie das Spielen eines ungewohnten Instruments neue Erfahrungen vermittelt

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 5/2010 , Seite 38

Häufig steht bei klassisch ausgebildeten Inst­rumentalistinnen und Instrumentalisten der Perfektions- und Virtuositätsgedanke hindernd im Weg, wenn es darum geht zu ­improvisieren. Der unvoreingenommene Umgang mit dem Instrument ist nicht (mehr) da und das Spielen nach Gehör und eigenen Ideen völlig ungeübt. Beim Ausprobieren neuer Wege entsteht schnell Frustration, da das Klangergebnis meist nicht mit den bislang nach Noten einstudierten Werken mithalten kann.
Mir ging es ähnlich: Als klassisch ausgebildete Klavierlehrerin und Pianistin habe ich erst nach meinem Studium in den 80er Jahren angefangen, mich ernsthafter mit Improvisation auseinanderzusetzen. Natürlich wurde elementare Improvisation innerhalb der Klaviermethodik thematisiert, aber so richtig hatte ich mich bisher nicht daran gewagt. Auch zahlreiche Fortbildungen hatten den Knoten, den ich gegenüber dem Thema empfand, nicht zum Platzen gebracht. Ich beschloss, ein Experiment zu wagen: Zwei junge Schüler, die nacheinander dran waren und sich ohnehin kannten, erhielten die Aufgabe, gemeinsam „drauflos“ zu spielen. Die einzigen Spielbedingungen: Gemeinsam leise anfangen, ein Crescendo bis zu einem Höhepunkt spielen und nach einem Decrescendo gemeinsam leise aufhören.
Ich war sehr gespannt, was passieren würde, und auf ziemlich wilde und unkoordinierte Ausbrüche vorbereitet. Zu meiner Überraschung passierte nichts dergleichen – die beiden hörten offenkundig sehr gut aufei­nander, gestalteten ein tolles Crescendo und beendeten ihr Stück wie einstudiert. Eine zuhörende Mutter und ich waren von dem Ergebnis tief beeindruckt, die Kinder freuten sich – sie wussten, dass das Ganze ein Experiment mit ungewissem Ausgang war. Dieses Erlebnis beflügelte mich, Improvisation vermehrt in den Klavierunterricht einzubauen und auch selber im „stillen Kämmerlein“ zu improvisieren. Allerdings war das auf die Dauer recht einsam. Der Wunsch entstand, mit anderen zusammenzuspielen.

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