Genari, Eva

Ein bisschen Spaß muss sein!?

Über die zunehmende Spaß-Orientierung des Instrumental­unterrichts

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 5/2010 , Seite 46

Der im Titel angesprochene Eindruck drängt sich bei Betrachtung vieler ­neuerer Instrumentalschulen auf, die derzeit in den Unterrichtszimmern der Musikschulen vorzufinden sind: bunte Bilder, tierische Gefährten, Rätsel­aufgaben, Seiten zum Ausmalen… Eva Genari über spaßpädagogische Tendenzen in der Instrumental­ausbildung.

Die Instrumentalpädagogik hat sich in den vergangenen Jahren enorm gewandelt. Augenscheinlich wird dies für Instrumentallehrkräfte bei einem direkten Vergleich der Standardunterrichtswerke ihrer eigenen anfäng­lichen Instrumentalausbildung mit dem mittlerweile gängigen Lehrmaterial. Der zu beobachtende Prozess basiert auf sich verändernden Lebensumständen und gesellschaftlichen Entwicklungen wie beispielsweise wachsendem Wohlstand, medialen Einflüssen, neuer Akzentuierung in der Freizeitgestaltung, Einschnitten im Bildungssystem und reform­pädagogischen Errungenschaften. Diese Prozesse schlagen sich in typischen Erscheinungsformen heute gängiger Instrumentalschulen nieder.
Äußere Gestaltung: Durch fantasiereiche Titel oder Sprachspiele wecken viele neue Unterrichtswerke bereits beim ersten Anblick Interesse. Häufig werden außermusikalische Hilfsmittel verwendet, um eine Identifikation der SchülerInnen mit dem Instrument bzw. dem Unterricht zu erreichen. Ein Beispiel hierfür sind die vermehrt in Erscheinung tretenden meist tierischen Identifikationsfiguren, die durch ein Unterrichtswerk leiten. Auch gegenüber dem musikalischen Gehalt der Spielstücke hat die Bedeutung von visuellen Reizen zugenommen.
Profilorientierung: Anhand der von den AutorInnen verfassten einleitenden Worte zu ­ihrem Unterrichtswerk lässt sich ein zunehmend spielerisches Profil des Instrumentalunterrichts erkennen. Pflicht- und Akzeptanzwerte weichen so genannten Selbstentfaltungswerten, emotionalen und sozialen Zielen wird ein weitaus höherer Stellenwert zugemessen als beispielsweise der Erlangung kognitiver oder motorischer Fähigkeiten. In Folge dieser Schwerpunktsetzung gewinnen improvisatorische und kompositorische Aufgabenstellungen gegenüber der Reproduk­tion vorgegebenen Spielmaterials an Priorität.
Inhaltliches Spektrum: Identische musikalische Themenfelder wie Zauber, Orient, Meer kehren instrumentenübergreifend in sämt­lichen Unterrichtswerken wieder, wobei eine deutliche kompositorische Redundanz der thematisch verwandten Spielstücke zu beobachten ist.
Lehrerrolle: Die Handlungsfreiheit des Lehrers oder der Lehrerin wird aufgrund der detaillierten Ausgestaltung der Instrumentalschulen mit konkreten Unterrichtsanweisungen stark eingeschränkt. Daraus resultiert mitunter eine Rolle der Lehrperson als Korrekturhilfe bei der Durchführung der von der Schule vorgegebenen Inhalte.
Kommunikation: Die Tendenz zur Entmündigung der Lehrperson wird auch in Form der mittlerweile obligaten Schule-Schüler-Dialoge sichtbar. Die Anwesenheit der Lehrperson wird in diesen Dialogen zwischen der Instrumentalschule und dem Schüler nahezu ausgeblendet. In Lehrerbegleitheften werden teil­weise gar potenzielle Unterrichtsgespräche simuliert, die den Lehrer oder die Lehrerin – bewusst oder unbewusst – beeinflussen.1
Diese Phänomene sind Begleiterscheinungen einer zunehmenden Spaß-Orientierung des Instrumentalunterrichts. Spaß im und am Unterricht zu initiieren, ist die primäre Zielsetzung dieses pädagogischen Ansatzes. Die negative Assoziation, die durch den Begriff Spaßpädagogik hervorgerufen wird, geht mit der gängigen Verwendung desselben in polemischen, unwissenschaftlichen Zu­sammenhängen einher. Beispielsweise rechnet Albert Wunsch in seinem Buch Abschied von der Spaßpädagogik nicht ohne Unsachlichkeit mit der konsum- und erlebnisorientierten Spaßgesellschaft ab, die tradierte moralische und erzieherische Werte hat verkommen lassen.2 Dabei wäre zu klären, ob der Begriff nicht auch anders gedeutet werden kann bzw. ob Spaß an einer Tätigkeit nicht auch positive Momente in sich birgt.

1 vgl. Ulrich Mahlert: „Didaktische Polyfonie. Kommunikationspsychologische Überlegungen zu Sprechweisen in Instrumentalschulen“, in: Frauke Grimmer/Wolfgang Lessing (Hg.): Künstler als Pädagogen. Grundlagen und Bedingungen einer verantwortungsvollen Instrumentaldidaktik, Mainz 2008, S. 155-172.
2 Albert Wunsch: Abschied von der Spaßpädagogik. Für einen Kurswechsel in der Erziehung, München 2003.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2010.