Heller, Barbara

Sonatine

für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2010
erschienen in: üben & musizieren 5/2010 , Seite 61

Die zweisätzige Sonatine von Barbara Heller wurde bereits 1962 komponiert, allerdings 1988 noch einmal unter Mitwirkung der jetzigen Herausgeberin Liana Gavrila-Serbescu, der das Stück auch gewidmet ist, überarbeitet. Wie dem Vorwort zu entnehmen ist, empfindet die Komponistin selbst den zweiten Satz als charakteristischer für ihren späteren Stil, sodass man in diesem Werk also typischen Stilelementen aus verschiedenen Lebensphasen der Komponistin begegnen kann.
Beide Sätze sind sehr durchsichtig gehalten, über weite Strecken herrscht Zweistimmigkeit vor, die häufig polyfon behandelt wird (z. B. durch Stimmtausch, rhythmische Vergrößerung u. Ä.). Harmonisch dominieren Quart-Quint-Klänge, wie man sie auch in anderen Werken von Barbara Heller antreffen kann. Formal handelt es sich im ersten Satz um eine Sonatenhauptsatzform. Der zweite Satz (Presto) ist umfangreicher und komplexer gebaut: Eine Einleitung mit ganztaktigen Akkordklängen mündet in einen tänzerischen Teil im 3/4-Takt, der von einem energischen rhythmischen Motiv bestimmt wird, das in abgewandelter Form zwischen den Händen hin und her wandert. Es folgt ein mit „burlesco“ überschriebener Teil im 2/4-Takt, der durch Passagen mit abwechselnden Händen und eine tokkatenartige Faktur zu einem dynamischen Höhepunkt führt. Anschließend  kehrt der 3/4-Takt noch einmal in verkürzter Form wieder.
Die Themen beider Sätze sind durch vielfältige Elemente miteinander verbunden (harmonisch, rhythmisch, melodisch, satztechnisch), sodass trotz der langen Entstehungszeit eine innere Einheit entstanden ist. Das Stück ist mittelschwer, erfordert aber vor allem im schnellen zweiten Satz artikulatorische Klarheit und Reaktionsschnelligkeit. Das Pedal kann mit Ausnahme des Beginns des zweiten Satzes und trotz einer allgemeinen „con ped.“-Vorschrift nur sehr sparsam benutzt werden.
Für SpielerInnen mit Interesse an einer gemäßigt modernen Klangsprache kann das Stück eine schöne Repertoireergänzung sein. Der Ausgabe ist ein kurzes Vorwort der Herausgeberin vorangestellt, das merkwürdig ungelenk klingt und durch das Nebeneinanderstellen von Formulierungsvarianten gegenüber der englischen Übersetzung wie ein Entwurf wirkt. Der erste Satz wird hier außerdem mit „Allegro moderato“ bezeichnet, während im Notentext „Munter“ zu lesen ist. Sollte hier eine Korrekturrunde übergangen worden sein?
Linde Großmann