Dartsch, Michael / Stephan Schmitz

Offenheit und Vielfalt

Der neue „Bildungsplan Musik für die ­Elementarstufe/Grundstufe“ des VdM

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2010 , Seite 50

Für die verschiedenen Unterrichts­fächer an den Musikschulen im Verband deutscher Musikschulen (VdM) gibt es wie an den allgemein bildenden Schulen Lehrpläne. In ihnen sind allgemeine Unterrichts­ziele formuliert, sie enthalten jedoch stets auch interessante und wissenswerte Informationen sowie umfangreiche Literaturangaben zum jeweiligen Unterrichtsfach und sind damit immer auch „kleine Arbeitshilfen“.

Im Bereich der Grundstufe an öffentlichen Musikschulen galten lange Jahre die Lehrpläne „Musikalische Früherziehung“ (MFE) für 4- bis 6-jährige Kinder1 und „Musikalische Grundausbildung“ (MGA) für ca. 6- bis 8-jährige Kinder.2 Mit der Herausgabe eines den gesamten Altersbereich von 0-10 Jahren ­umfassenden „Bildungsplans Musik für die Elementarstufe/Grundstufe“ macht der VdM nun einen wesentlichen Schritt in Richtung auf die Verwirklichung des Ziels, das er sich mit dem Projekt „Musikalische Bildung von Anfang an“3 gesetzt hat: der Entwicklung eines musikalischen Bildungskonzepts für alle Kinder von der Geburt bis zum Ende des Grundschulalters und für deren Familien. Dabei setzt der VdM-Bildungsplan hinsichtlich des Fächerangebots Änderungen um, die im Mai 2009 für den VdM-Strukturplan beschlos­sen wurden, trägt jedoch gleichzeitig in besonderem Maße den Charakter einer Arbeitshilfe.4 Im Folgenden sollen einige wesentliche Züge des Bildungsplans skizziert werden, der bereits im April im Rahmen einer Tagung in Aschaffenburg Fachvertreterinnen und -ver­tretern aus den Bereichen der Musikpädagogik und der Politik vorgestellt wurde.

Zum Begriff des Bildungsplans

Der Begriff des „Bildungsplans“ ersetzt nicht zufällig den des Lehrplans. Hierin drückt sich vielmehr aus, dass Bildung als allgemeine Zielvorstellung der Arbeit in der Elementarstufe/Grundstufe in Anspruch genommen wird. Bildung umfasst dabei den ganzen Menschen, der sich in der Welt orientiert und im Unterricht der Elementarstufe/Grundstufe speziell musikbezogene Grunderfahrungen sammelt. Dabei geht es um Erfahrungen mit der eigenen Stimme, mit klingenden Materialien, mit dem Zusammenhang von Musik und Bewegung; an sinnliche Erfahrungen ist ebenso zu denken wie an Erfahrungen mit Strukturelementen von Musik, schließlich auch an Erfahrungen mit den Verbindungen zwischen Musik und anderen Ausdrucksformen wie Malen oder szenischem Spiel.
Als Konsequenz der Erfahrungen bildet das Kind kognitive, emotionale und körperliche Muster aus – also etwa Begriffe, Ausdrucksnuancen oder Spielbewegungen –, wobei Denken, Fühlen und Verhalten stets mitei­nander verwoben sind. Diese Muster gilt es im Verlauf der Unterrichtszeit immer weiter auszudifferenzieren. Maßstab dafür ist die Stimmigkeit, die sich für das einzelne Kind in seinem Umfeld ergibt. Nichtsdestoweniger ergibt sich die Richtung der Differenzierungen auch aus dem – für die Weitergabe von Musik durchaus legitimen – Wunsch, dass die Kinder mit Freude und Selbstvertrauen musizieren, allmählich immer sauberer singen, rhythmisch präziser spielen, ihre Bewegungen mit der Musik koordinieren und beim Musikhören ebenso sensibel für die Parameter wie für den Ausdrucksgehalt der Musik werden.
Im Unterricht sollten sie vielfältigen kulturell geprägten Materialien begegnen – also Liedern, Musikstücken, Begriffen usw. –, sich mit diesen auseinandersetzen und sie gegebenenfalls in das eigene Musizierrepertoire übernehmen können. Immer aber braucht es zur Ermöglichung von Bildungsprozessen auch Raum dafür, dass die Kinder eigene Impulse in den Unterricht und das Musizieren einbringen können, damit Musik so zu ihrem persönlichen Eigentum werden kann.
Der Begriff des Bildungsplans lehnt sich schließlich auch bewusst an die Bildungspläne der Bundesländer an. Der Bildungsplan des VdM erfüllt dabei Funktionen, wie sie den Bildungsplänen der Länder im „Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“5 zugeschrieben werden. Ebenso wie die Bildungspläne der Länder für die einzelnen Einrichtungen will der Bildungsplan des VdM Leit­linien für die Lehrkräfte seiner Mitgliedsschulen schaffen, ohne deren pädagogische Freiheit damit außer Kraft zu setzen. Weiterhin wird bezüglich der Ziele, der Inhalte und der didaktischen Grundsätze Transparenz nach außen geschaffen.

1 Erstfassung 1980, revidierte Fassung 1993.
2 Erstfassung 1981, revidierte Fassung 1991.
3 Zum Projekt „Musikalische Bildung von Anfang an“ siehe Michael Dartsch/Stephan Schmitz: „Eine gesellschaftliche Herausforderung. ,Musikalische Bildung von Anfang an‘ an öffentlichen Musikschulen“, in: Üben & Musizieren 1/2009, S. 16-19.
4 Der „Bildungsplan Musik für die Elementarstufe/ Grundstufe“ ist dabei durchaus im Zusammenhang mit weiteren Arbeitshilfen zu sehen, die für den Bereich ­Elementarstufe/Grundstufe erschienen sind: Michael Dartsch (Hg.): Musikalische Bildung von Anfang an. ­Perspektiven aus Entwicklungspsychologie und Päda­gogik, Bonn 2007; Michael Dartsch (Hg.): Eltern-Kind-Gruppen an Musikschulen. Grundlagen, Materialien, ­Unterrichtsgestaltung, Bonn 2008.
5 Jugendministerkonferenz; Kultusministerkonferenz: Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen, www.kindergartenpaedagogik.de/1765.html (Stand: 10. Dezember 2009).

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