Mengler, Walter

Musizieren mit links

Linkshändiges Instrumentalspiel in Theorie und Praxis

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2010
erschienen in: üben & musizieren 4/2010 , Seite 56

Mit diesem Buch wird erstmals in ausführlicher Weise die Bedeutung der Händigkeit in Bezug auf das Spielen eines Musikinstruments dargestellt. Musizieren ist eine das Gehirn motorisch und emotional so ungemein fordernde Tätigkeit, dass die Handdominanz des Musikers gerade dort Beachtung finden sollte. Schon in verschiedensten Alltagssituationen zeigt sich die Überlegenheit der dominanten Hand in Bezug auf Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und auch Ausdruck. Da die Aufgaben der beiden Seiten bei den meisten Instrumenten sehr unterschiedlich sind, sollte der Linkshänder die Möglichkeit haben, seitenvertauscht zu spielen – nur dann kann sich letztlich eine wirkliche Freude am Instrumentalspiel, ein „Wohlgefühl“ einstellen.
Wissenschaftlich nachweisen lassen sich die Zusammenhänge zwar noch nicht, aber offensichtlich sind Probleme linkshändiger MusikerInnen auf die Anpassung an eigentlich für Rechtshänder ausgerichtete Instrumente zurückzuführen – wie z. B. schnelle Ermüdung der rechten Seite durch zu hohen Krafteinsatz, angestrengte Bogenhaltung der rechten Hand bei Streichern und geringere Repetitionsfähigkeit (Tastenanschlag, Bogen- bzw. Zupfbewegung). Als psychische Belastung linkshändiger InstrumentalistInnen führt Mengler noch „ein grundsätzliches Gefühl von Unsicherheit“ an, das sich „unter Stress verstärkt“. Er hält fest, dass alle geschilderten Symptome individuell verschieden auftreten, dass aber alle Linkshänder, die auf einem Rechtshänderinstrument spielen – auch wenn sie dies erfolgreich und beruflich tun – „ihren Preis für die Vertauschung der Handpräferenz“ zahlen.
In seinem fundierten Kapitel „Händigkeitsbezogene Analyse der Musizierpraxis“ betrachtet er Instrumente im Hinblick auf ihre historische Spielpraxis und die Aufgaben der beiden Hände in Bezug auf die technischen Anforderungen und den musikalischen Ausdruck. Mengler legt ausführlich dar, wie Instrumente umgestellt werden können bzw. bei welchen es schwierig oder gar unmöglich ist.
Er ermutigt zu Offenheit gegenüber linkshändigem Spiel (betont aber die Wichtigkeit der „freien Wahl“), gibt methodische Anregungen zum Ausprobieren und zum Unterrichten „anders herum“. Ebenso macht Mengler linkshändigen MusikerInnen Mut, die von Anfang an auf die allgemein übliche Weise spielen; er hat für sie wertvolle „Übungen zum Ausgleich der Dysbalance“ zusammengestellt. Das Thema „Linksspielen“ im Orchester behandelt er sehr behutsam: „Wenn es richtig ist, dass Linkshänder seitenvertauscht spielen, um gesund und leistungsfähig musizieren zu können, muss es möglich sein, die Frage des Zusammenspiels im Orchester zu lösen.“
Dem Grundlagenteil zum Thema Händigkeit und den „Folgen der Umerziehung“, den Mengler voranstellt, fehlt es leider an Systematik; zum Teil sind auch Begriffe etwas unklar. Was den Praxisteil angeht, ist dieses Buch aber ein überaus wertvoller Ratgeber.
Andrea Arnoldussen