Eisler, Hanns

Sonatine (Gradus ad parnassum)

für Klavier op. 44, revidierter Nachdruck der Ausgabe 1984

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Peters, Frankfurt am Main 2009
erschienen in: üben & musizieren 4/2010 , Seite 63

Hanns Eisler (1898-1962) ist neben Webern und Berg einer der prominentesten Vertreter der Schönberg-Schule. Er wurde ab 1919 einige Jahre lang von seinem Meister unterwiesen, der ihn 1920/21 sogar als Assistent für seine Kompositionskurse in Amsterdam verpflichtete. 1922 wurde Eisler zeitweise auch von Anton Webern unterrichtet. Trotz späterer heftiger Auseinandersetzungen zwischen Schönberg und seinem sozialistisch eingestellten Schüler über die Rolle der Musik in der Gesellschaft blieb eine gegenseitige Wertschätzung erhalten.
Das umfangreiche und vielseitige Schaffen des Komponisten reicht von Zwölftonkompositionen bis zu Arbeiterliedern und zur Nationalhymne der DDR. Sein interessantes und empfehlenswertes Klavierwerk verteilt sich im Wesentlichen auf die Jahre 1923 bis 1943. Es umfasst etwa zehn Kompositionen, darunter die gewichtigen drei Sonaten op. 1 (1922), op. 6 (in Form von Variationen, 1923) und ohne  Opuszahl aus dem Jahr 1943 sowie die Variationen für Klavier von 1941. Für Unterrichtszwecke sind die kurzen und leicht eingängigen Klavierstücke für Kinder op. 31 (1932) und die Sieben Klavierstücke op. 32 (1932) gut geeignet, vor allem aber die Sonatine (Gradus ad parnassum) op. 44 aus dem Jahr 1934.
Dieses viersätzige Stück ist schwieriger als die beiden vorher erwähnten Sammlungen und im technischen Anspruch etwa mit dem vierten Heft von Bartóks Mikrokosmos zu vergleichen. Eisler nimmt Rücksicht auf die Hände jüngerer SpielerInnen und meidet Griffe, die den Umfang einer Septime übersteigen. Der Klaviersatz wird meist von einer übergeordneten Zweistimmigkeit beherrscht und gemahnt in seiner Durchsichtigkeit und Klarheit an Bachs Inventionen. Der Komponist hat das Werk aus einer nur einmal transponierten Zwölftonreihe entwickelt und diese so geschickt verarbeitet, dass beim ersten Hören nicht unbedingt der Gedanke an Dodekafonie aufkommen muss.
Offensichtlich hat Eisler hier nicht nur an KlavierspielerInnen gedacht. Das wird verdeutlicht durch seine Zitate, die Herausgeber Peter Deeg in sein Vorwort eingefügt hat. Der Komponist spricht darin von „Musikstudenten, junge[n] Komponisten, Instrumentalisten etc.“, denen er zeigen wollte, „dass man mit der Zwölftönigkeit in einer einfachen, leicht verständlichen, logischen Weise musizieren kann“.  Die didaktische Intention kommt auch im Untertitel zum Ausdruck, der sich auf das berühmte Traktat des österreichischen Komponisten und Musiktheoretikers Johann Joseph Fux (Wien 1725) bezieht.
Die fachkundige und genau redigierte Ausgabe enthält Kommentare zur Quellenlage sowie zur herausgeberischen Arbeit. Peter Deeg vermittelt damit Urtext-Qualität. Die vorliegende Edition von Hanns Eislers Sonatine ist unbedingt zu empfehlen.
Peter Roggenkamp