Mönig, Marc

Musik als sinn-voll erfahren

Sprache als methodisches ­Hilfsmittel im Instrumental­unterricht

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 5/2009 , Seite 18

Die besondere Bedeutung der Sprache für die Auseinandersetzung mit und Vermittlung von Musik kann kaum in Frage gestellt werden. Umso überraschender ist, dass eine systematische Auseinandersetzung der Musikpädagogik mit Chancen, Grenzen und Problemen des Ein­satzes der Sprache im Instrumental­unterricht noch aussteht.

So mögen am Ende Musik und Sprache […] ineinander übergehen.
Theodor W. Adorno

Zwei Gründe sind für den Missstand der mangelnden Beschäftigung mit dem Einsatz von Sprache im Instrumentalunterricht im besonderen Maße verantwortlich: Zum einen steht man im Unterricht vor der nicht zu unterschätzenden Herausforderung, sich in einem Kommunikationsmedium über ein anderes austauschen zu müssen,1 was gleichermaßen ein Gefühl für Sprache und Musik vo­raussetzt.2 Zum anderen wird dabei stets auch die Frage der sprachlichen Angemessenheit berührt. So scheint keine sprachliche Formulierung, und sei sie noch so differenziert, wirklich in der Lage zu sein zu beschreiben, was Musik im Menschen (individuell) letztendlich auslöst. Genauso wie keine sprachliche Beschreibung den Genuss eines guten Rotweins zu erfassen vermag, ist es auch mit der Musik: Die eigene Erfahrung ist nicht durch sprachliche Beschreibung substituierbar – es verbleibt stets ein nicht kommunizierbarer Rest.
Demgegenüber jedoch steht die Annahme, dass der Vorgang musikalischen Verstehens und Wahrnehmens im Grunde sprachlich fundiert und durchdrungen ist. So weist Martina Krause darauf hin, dass „Denken als reflexiver Akt […] an Sprache gebunden [ist]. Und da Denken gleichzeitig unlösbar mit der sinnlichen Wahrnehmung verknüpft ist, ist auch die Wahrnehmung selbst von Sprache durchdrungen und kann nicht davon getrennt werden. […] Bei allem, was wir tun und denken und fühlen, sind wir von Sprache begleitet, weil wir ohne Sprache überhaupt nicht wären.“3
Auch für Krause ist eine „verbale Interpretation von Musik [nicht …] die lineare direkte Transformation einer musikalischen Bedeutung“.4 Dass eine sprachliche Verständigung über Musik dennoch möglich ist, liegt an „ext­ratextuelle[n] Relationen“,5 die nicht der Musik zugehörig sind, sondern durch Gebrauchspraxen vermittelt werden: Sprach­liche Beschreibungen und Charakterisierungen werden aus nicht-musikalischen Kontexten auf die Eigenschaften der Musik übertragen und bilden so eine „Grammatik der Musik“.6
Diese Ausführungen verdeutlichen, dass die Reflexion über Möglichkeiten, die sprach­liche Auseinandersetzung der SchülerInnen mit Musik anzuregen und einzufordern, dringend geboten ist für eine Instrumentalpäda­gogik, die dem musikalischen Verstehen der SchülerInnen Raum geben und damit auch Interpretationsentscheidungen transparenter werden lassen will. Anders ausgedrückt: Gesucht wird nach Möglichkeiten, die sprach­lichen Äußerungen der SchülerInnen zur ­Musik methodisch als Ausgangspunkt einer tiefer gehenden, auf das Musizieren zurückwirkenden Auseinandersetzung mit einem Werk zu nutzen.
Andererseits ergibt sich für den Instrumentalunterricht auch die pädagogische Aufgabe, zur Ausbildung einer angemessenen Sprachkompetenz in der Auseinandersetzung mit Musik beizutragen. In diesem Sinne sollte Gegenstand des Unterrichts nicht nur die (eigene) Sprache der SchülerInnen, sondern auch – und dies ist für gängigen Instrumentalunterricht sicherlich nicht unbedingt selbstverständlich – der Nachvollzug fremder sprachlicher Äußerungen mündlicher oder schriftlicher Art sein, zumal die „Auseinandersetzung mit dem eigenen Sprechen über Musik wie mit dem schriftlich oder akustisch fixierten Sprechen anderer […] über den Weg der Sensibilisierung des Sprachgefühls und der Verstärkung der Sprachbewusstheit […] zu einem differenzierteren Verständnis der Musik und damit zu einer Vertiefung des Musikerlebens führen“ kann.7

1 An dieser Stelle soll allerdings bewusst nicht der andernorts (vgl. zum Beispiel: Helga de la Motte-Haber: Handbuch der Musikpsychologie, Laaber 21996, S. 12 f.) viel diskutierten Frage nachgegangen werden, ob es sich bei Musik um eine Sprache handelt oder nicht.
2 Dieses Problem ist jedem Musiklehrer und Schüler an einer allgemein bildenden Schule bekannt, da es in schriftlicher Form spätestens mit der ersten Oberstufenklausur im Fach Musik evident wird.
3 Martina Krause: Bedeutung und Bedeutsamkeit. Interpretation von Musik in musikpädagogischer Dimensionierung, Hildesheim 2008, S. 89 f.
4 ebd., S. 265.
5 ebd., S. 264.
6 Daher können wir beispielsweise auch überindividuell verständlich eine Klangfarbe als „dunkel“ charakterisieren, obwohl im engeren Wortsinn dem Klang nichts Dunkles anhaftet (vgl. ebd., S. 264-279).
7 Ursula Brandstätter: „Sprechen über Musik“, in: Siegmund Helms/Reinhard Schneider/Rudolf Weber: Lexikon der Musikpädagogik, Kassel 2005, S. 234.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2009.