Doss, Thomas

Dimensionen der Ensembleleitung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Mitropa Music, Hagendorn 2009
erschienen in: üben & musizieren 5/2009 , Seite 55

Dimensionen der Ensembleleitung – das klingt nach viel Text und tiefen philosophischen Überlegungen. Ist es aber nicht. Der österreichische Dirigent, Pädagoge und Komponist Thomas Doss hat mit diesem Titel sein „Praxisbuch für den Dirigierunterricht“ überschrieben, in dem er anhand von Erklärungen und Abbildungen einen recht umfassenden Einblick in das Schlag-Handwerk vermittelt, der dann in vielen Übungen verschiedenen Schwierigkeitsgrades vertieft werden kann.
Ein Praxisbuch freilich, das den Anspruch erhebt, sich „nicht nur auf die Technik des Dirigierens“ zu beschränken, „sondern diese als Handwerkszeug einer individuellen Dirigentenpersönlichkeit“ zu sehen. Worauf man sich fragt: Gibt es auch Bücher, die das dezidiert nicht so sehen?
Doch das ist symptomatisch für den Band, in dem um viele Selbstverständlichkeiten sehr viele, sehr (pseudo-)wissenschaftliche Worte und Skizzen gemacht werden, die zu verstehen oft mehr Anstrengung kostet, als den Sachverhalt selbst zu begreifen, der vielleicht gar keiner weiteren Beschreibung mehr bedürfte. So wird etwa bei einer Übung zur Unabhängigkeit der Hände jede abgebildete Schlagfigur noch mit einer Bestimmung wie „x = Der unendliche Zeitfluss/Klang“ oder „z = Raum/Musiker“ bezeichnet – und wirft damit mehr Fragen auf, als im ganzen Kapitel beantwortet werden.
Ein weiteres Problem des Buchs ist die mangelnde Struktur des Ganzen, sind doch die Inhalte schlicht etwas ziellos angeordnet. So würde man Entspannungsübungen oder solche zur Handhaltung doch logischerweise vor den Phrasierungs- und Abschlagsbeispielen und -übungen suchen, findet sie aber danach; so werden immer mal wieder Dinge angesprochen, Symbole verwandt, die vorher noch nicht erklärt wurden, wogegen andere Sachverhalte an verschiedenen Stellen – aber im gleichen Zusammenhang – mehrfach auftauchen und erläutert werden. Auch einige der Abbildungen sind unklar oder überflüssig.
So macht es nur bedingt Sinn, den Band von vorne nach hinten durchzuarbeiten, ihn als Schule im klassischen Verständnis zu benutzen. Betrachtet man ihn jedoch als Kompendium und beschäftigt sich gezielt und ohne Rücksicht auf esoterisches Beiwerk und hochtrabende Verkomplizierungen mit den Erklärungen und Übungen zu einem Thema, dann sieht die Sache ganz anders aus. Denn inhaltlich hat Doss eine Menge zu sagen. Dazu kommen die vielen – im Erklärungsteil jeweils dem Gegenstand des Kapitels angepassten, nachher nach Schwierigkeitsgrad angeordneten – Übungen, die für den Dirigierschüler allein schon eine unschätzbare Hilfe gerade für ganz konkrete Lernziele darstellen dürften.
Daher kann man den Band AnfängerInnen nur sehr bedingt empfehlen, jedem Schüler aber, der so weit fortgeschritten ist, dass er weiß, was er will, und jedem Lehrer, der auf der Suche nach Übungsmaterial zu bestimmten Problemstellungen ist, sehr ans Herz legen.
Andrea Braun