Wiedmer, Stephan (Hg.)

Beethovenstraße 26

Wer alles dort wohnt. Eine musikalische Geschichte von Kindern getextet, illustriert und komponiert

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Nepomuk, Basel 2009
erschienen in: üben & musizieren 5/2009 , Seite 57

Wer die Ausgabe 4/2009 von üben & musizieren aufmerksam gelesen hat, müsste ein anderes Verhältnis zum Einsatz von improvisatorischen Elementen im Instrumentalunterricht und zur Frage von Eigenkompositionen von Schülerinnen und Schülern bekommen haben. Die hier vorliegende Veröffentlichung macht nun ihrerseits Ernst mit diesem Thema und stellt in Verbindung mit einer Rahmengeschichte 13 Kompositionen von neun- bis 16-jährigen SchülerInnen aus der Klavierklasse von Stephan Wiedmer vor.
Die Kinder haben in der Person des Postboten Franz einen musikalischen Geschichtenerzähler erfunden, der im Haus „Beethovenstraße 26“ von allerlei interessanten, skurrilen und auch etwas unheimlichen Personen berichtet, die sich in den einzelnen Wohnungen verbergen, in die er hin und wieder Briefe und andere Postsendungen bringt. Dieser Personenkreis wird dann mit Musikstücken atmosphärisch stimmungsvoll charakterisiert oder es werden lustige Aktionen geschildert, die in diesen Wohnungen passieren. Da erfahren wir von „unheimlichen Gestalten“, einer „Seiltänzerin“, dem „Klarinettenmann“, aber auch von „Pop-Balls“ oder einer „Sanften Melodie im wilden Haus“.
Diese Stücke und die Geschichte machen Spaß und zeigen, wie überzeugend sich bereits kleine Pianistinnen und Pianisten mit ihren technischen Möglichkeiten an musikalischen Ausdruck und stimmungsvolle musikalische Bildlichkeiten heranwagen können und wie auf diese Weise kleine überzeugende Formen entstehen. Es sind subjektiv-emotionale, deutlich spürbar von der Entdeckerfreude geprägte Klangwelten, die hier vorgestellt werden – und man mag dem Herausgeber gerne glauben, dass derartige Projekte „den Klavierunterricht und das Musizieren zu unvergesslichen Erlebnissen“ für SchülerInnen und Publikum werden lassen. Also insgesamt eine Ermutigung zu ähnlichen Versuchen im je eigenen Unterricht!
Die Frage, inwieweit diese Stücke quasi objektivierbar sind und auch andere Kinder, die sie nicht selbst geschrieben haben, in besonderer Weise motivieren, sich mit ihnen technisch und musikalisch auseinanderzusetzen, muss für mich offen bleiben. Dies gilt es auszuprobieren, denn in gewisser Weise sind es ja nun gedruckte „Werke“, die so gerade den Aspekt des Selbsterfindens eher konterkarieren. Es sind eben Stücke von Manuel für Manuel oder Darja für Darja, die an diesem interessanten Projekt beteiligt waren. Das sollte man zumindest bedenken, bevor man sich auf diese Sammlung stürzt in der Hoffnung, hier grundsätzlich auf das Erfolgsrezept „von Kindern für Kinder“ bauen zu können.
Dennoch klingt es sehr spannend, wenn Wiedmer am Ende des Bandes sein nächstes Projekt offenbart: eine Vertonung des Stummfilm-Klassikers “The Kid” von Charlie Chaplin – eine solche Idee ist allemal zur Nachahmung empfohlen.
Thomas Holland-Moritz