Wohlfahrt, Franz

60 Studies op. 45

Violin studies in the first three positions, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: de haske, Heerenveen 2008
erschienen in: üben & musizieren 5/2009 , Seite 61

Der Niederländische Verlag de haske legt die Etüden von Franz Wohlfahrt und Jacques Féréol Mazas in einer ansprechenden Neuausgabe vor. Die Noten sind relativ groß und leicht lesbar gedruckt, die Einteilung ist übersichtlich, die Strichbezeichnungen und Fingersätze sind gut erfassbar. Das Besondere an diesen beiden Ausgaben ist, dass alle Etüden auch auf jeweils zwei CDs, die von Jo Vercruysse eingespielt wurden, vorliegen. Jo Vercruysse ist Konzertmeister im Orchester der Niederlande, tritt als Solist und Kammermusiker hervor und ist Dozent an der Staatlichen Akademie von Waregem in Belgien.
Die Etüden von Wohlfahrt und Mazas spielt er sehr exakt, in genauer Intonation und mit dem geforderten Bogenstrich ein. Mit Absicht lässt er keine persönliche Gestaltung hören. Dies wirkt zwar etwas „etüdenhaft“, erfüllt aber den pädagogischen Zweck bestens: Wer die Etüden lernt, findet hier eine objektive Kontrolle. Wenn er die Etüden schon technisch bewältigt, kann er diese mit der CD mitspielen und so kontrollieren, ob er das Tempo halten kann und ob die Intonation stimmt. Gewiss können diese Demo-CDs die Lehrkraft nicht ersetzen, aber zur Vorbereitung der Violinstunde sind sie ein nützliches Hilfsmittel.
Die 60 Studien von Franz Wohlfahrt begnügen sich mit der 1. bis 3. Lage. Sie dienen dazu, die Grundlagen für ein sicheres Geigenhandwerk zu legen. Saitenwechsel, das Aufschlagen der Finger, Geläufigkeit, Bogeneinteilung, verschiedenste Bogenstriche von Legato, Bindungen, Staccato bis zum Spiccato können hier geübt werden. Verschiedene Charaktere wie Marsch, Scherzo oder Andante erweitern das technische Spektrum ins Ausdrucksmäßige. Auch die Anfänge des Doppelgriffspiels können hier geübt werden. Die abschließende 60. Studie besteht aus lauter Oktavgriffen. Wohlfahrts Etüden bieten zu fast allen Fragen des Geigespielens Übungsmaterial.
Die Etüden von Jacques Féréol Mazas konzentrieren sich weniger auf technische Grundfragen. Sie sind auch nicht nur Etüden im strengen Sinn des Wortes, sondern im Grunde Vortragsstücke für Violine solo. Mehr als Wohlfahrt beabsichtigt Mazas, Technik und musikalische Gestaltung, die ja im Grunde nie voneinander zu trennen sind, zusammenzubringen. So übt der Studierende in der ersten Studie das An- und Abschwellen der Lautstärke beim Spiel eines langen Tons und viele weitere Gestaltungsformen der Dynamik wie Forzato, Crescendo und Decrescendo. Sicher, auch rein Technisches steht hier im Vordergrund, etwa die Studie mit Oktavintervallen, aber meistens werden technische Probleme auch als darstellerische musikalische Aufgaben gestellt, etwa die vorbeihuschenden Sechzehntel unter einem Bindebogen (13. Studie) oder Trillerübungen und deren Einbindung in eine Melodie. Selbst dem bewussten Spiel von Pausen ist eine Etüde gewidmet: In der 29. Studie übernimmt der Geiger die Aufgabe eines Sängers und spielt eine Art Rezitativ, das dann in ein furioses Allegro mit Doppelgriffen mündet.
Mazas begnügt sich in diesen Etüden mit der 1. bis 5. Lage. Virtuosität im Sinn eines Paganini wird hier nicht gefordert. Auch hier stehen also die Grundlagen des Geigenhandwerks im Vordergrund. Doch der besondere Wert der Etüden von Mazas liegt darin, dass die Technik immer zusammen mit der musikalischern Gestaltung geübt wird. Dies ist ein wichtiger Ansatz für die Pädagogik, da hier deutlich wird, dass Technik nie Selbstzweck ist, sondern dazu dient, Musik zu gestalten und für den Zuhörer interessant und fesselnd werden zu lassen. Insoweit sind diese Studien nie „trockene“ Etüden, sondern ebenso eine wertvolle Sololiteratur für GeigerInnen. Viele der Studien können nämlich auch im Konzert Zuhörer begeistern.
Franzpeter Messmer