Röbke, Peter

Geige pur!

Klassiker für Violine anders unterrichten, Üben & Musizieren spezial

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: üben & musizieren 4/2008 , Seite 49

Zur Professionalität des Lehrens gehört es, jede Unterrichtssituation als neu und einmalig aufzufassen. Das gilt auch für die „Mainstream“-Stücke, an denen – so schreibt Peter Röbke in der Einleitung zu seiner „instrumentalpädagogischen Ideensammlung“ – ein Geigenschüler „praktisch nicht vorbeikommt“. Denn der Schüler begegnet, anders als der Lehrer oder die Lehrerin, diesen Stücken zum ersten Mal. Dass es in jeder Generation aufs Neue zu solchen ersten Begegnungen kommt, hält die „Klassiker“ lebendig – dessen muss sich jeder Interpret und ebenso jeder Lehrende bewusst sein.
Röbke stellt fest: „So selbstverständlich es z. B. ist, dass ein Violinschüler das a-Moll-Konzert von Vivaldi oder ein Schülerkonzert von Küchler erarbeitet, so wenig selbstverständlich ist es, dass das musikalische Potenzial dieser Stücke ausgeschöpft wird.“ Dies könne damit zu tun haben, dass Lehrerinnen und Lehrern zu Standardliteratur, „die dutzende Male unterrichtet und gehört wurde, manchmal schlicht nichts mehr einfällt“.
Ob das wirklich vorkommt, bleibe dahingestellt, denn Unterricht ergibt sich weniger aus spontanen Einfällen als aus dem Weitergeben von Wissen und Erfahrung. Aber es ist eine berechtigte Frage, worin die weiterzugebende Substanz etwa bei einem Schülerkonzert von Küchler bestehen kann. Peter Röbke kämpft gegen die Ignoranz, die darin liegt, ein Musikstück, das ja nicht zufällig in den Lehrplan geraten ist, nicht ernst zu nehmen. Jedes Stück ist, so Röbke, „nur ein Beispiel dafür, was Musik überhaupt sein kann und was Musizieren für uns eigentlich bedeutet“.
In diese Ausgabe der Reihe „Üben & Musizieren spezial“ wurden sowohl Stücke aus der Standardliteratur aufgenommen, die in pädagogischer Absicht entstanden wie Küchlers Concertino G-Dur oder Bartóks Duos für zwei Violinen, als auch „freie“ Kunstmusik wie Dvorˇáks G-Dur-Sonatine. Röbke demonstriert – an jeweils einem Satz – auch unkonventionelle Mittel wie eine „Malaktion“ zu Dvoráks Larghetto, der „Indian Canzonetta“. Er möchte etwas vor dem „inneren Auge“ entstehen lassen, es geht um Deutungen und Erregungszustände. Bei Vivaldi kommt der „Sog der Kadenz“ zur Sprache oder das „energetische Grundmuster“ der Ritornelle.
Die weiteren behandelten Werke: Carl Orff, Stücke aus der Geigen-Übung I und II („Die Kraft des Rhythmus“), Georg Friedrich Händel, Sonate F-Dur, 1. Satz („Die Klangrede des Barock“), Johann Sebastian Bach, Konzert d-Moll, 1. Satz („Die Geheimnisse der musikalischen Struktur“), Wolfgang Amadeus Mozart, Wiener Sonatine Nr. 3 D-Dur, Andante („Die Bühne der Emotionen“), und für den „Teufelsgeiger in uns“ Beispiele aus Werken von Rieding, Accolay, Dancla, Viotti „und Konsorten“.
Reinhard Seiffert