Isserlis, Steven

Warum Händel mit Hofklatsch hausierte

Und viele andere Geschichten über das Leben berühmter Komponisten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: rüffer & rub, Zürich 2007
erschienen in: üben & musizieren 4/2008 , Seite 54

Zuneigung für schöne Künste wächst nicht automatisch und so hat der britische Cellist Steven Isserlis über Musik speziell für Kinder geschrieben. Bereits 2001 verfasste er ein kleines Buch mit Komponistenporträts, wobei der Titel Warum Beethoven mit Gulasch um sich warf bereits andeutete, zu welchem Tonfall der Autor neigt.
Als Interpret hat sich Steven Isserlis zweifellos mit tief lotenden Phänomenen von Musik auseinandergesetzt. In seiner neuen Edition Warum Händel mit Hofklatsch hausierte will er jedoch – das machen auch die kleinen, meist an den Seitenrändern positionierten Illustrationen deutlich – vor allem adoleszente Menschen ansprechen. Formulierungen wie „eine Menge schöner Melodien“ oder „ist auch toll“ (Händel-Kapitel) würden bei einem gestrengen Lektor sicher nicht durchgehen. Bei verbalen Einschüben wie „Hm“ oder „Na ja“ mag es in der Tat Bedenken hinsichtlich rhetorischer Anpassung geben, doch liest man sich in das sozusagen „private“ Vokabular von Steven Isserlis unschwer ein und freut sich, dass sich ein so prominenter Künstler auf kindlichen Zungenschlag so unverkrampft einlässt.
In diesem Zusammenhang sind auch die Hör-Tipps zu werten, die stets das Final-Kapitel der dreiteiligen Porträts bilden. Als Reise durch den „Bielefelder Katalog“ taugen sie sicherlich nicht, zumal nirgends nach interpretatorischen Kategorien gewichtet wird. Isserlis macht ganz einfach auf Musik aufmerksam, speziell für Einsteiger; seine Hinweise sind ausschließlich emotionaler Natur.
Mit Händel, Haydn, Schubert, Tschaikowsky und Dvorˇák hat sich Isserlis bekannte Komponisten ausgesucht. Bei Gabriel Fauré mag der eine oder andere vielleicht stutzen, aber Abschätzigkeit gegenüber diesem Franzosen bezeichnet der Autor als „völligen Blödsinn“. Im Gegenteil wertet er seine Musik als das „Schönste, Reinste, Bewegendste und Ekstatischste, was je geschrieben wurde“. Herzenssprache – und dieser Tonfall wirkt sympathisch, tut richtig gut.
Persönlich gibt sich Isserlis auch bei der Beschreibung von Stärken und Schwächen seiner musikalischen Hausgötter. Händel, ein Säufer – man verkraftet’s leicht. Die erotischen Nebenpfade eines Schubert und Tschaikowsky führen beklemmend hin zu Arealen menschlicher Tragödien, aus denen gleichwohl Musik von überirdischer Ausdruckskraft entstand. Psychologisch muss man das erst einmal auseinanderpuzzeln. Bei Isserlis reicht die Liebe zur Musik als Erklärung aus.
Alle Porträts sind unterteilt in musikologisch lockere Lebensbeschreibungen mit kindgerechtem Vokabular und vertiefende Kapitel. Wenn nötig, kann man bei vier Seiten mit „musikalischen Begriffen“ nachschlagen. Steven Isserlis’ Büchlein macht Musik menschlich. Man muss ihm einfach dankbar sein.
Christoph Zimmermann