Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus

Sonaten für Klavier

hg. von Alexander Erhard

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2007
erschienen in: üben & musizieren 4/2008 , Seite 58

E. T. A. Hoffmann ist als einer der genialsten deutschen Dichter der Romantik bekannt. Seine vielfältigen Gaben ermöglichten es ihm, der von Haus aus Jurist war, auch kompositorisch tätig zu werden. Die Oper Undine (1816) war zu seinen Lebzeiten ein verbreitetes Werk, bis es durch Lortzings gleichnamige Oper verdrängt wurde. Als Neuerscheinung legt Schott fünf Klaviersonaten Hoffmanns vor. Die Ausgabe für den praktischen Gebrauch bringt auch dem versierten Musikkenner eine Bereicherung seiner historischen Kenntnisse, dem ausübenden Künstler eine lohnende Aufgabe und eine Erweiterung seines Repertoires.
Im Vorwort weist Erhard auf die geschichtliche Situation zu Lebzeiten Hoffmanns hin und erkennt der ersten der fünf Sonaten einen besonderen Rang zu. Diese Sonate in A-Dur wurde als einzige zu Lebzeiten des Komponisten veröffentlicht. Die drei Sätze des Werks entsprechen relativ genau dem traditionellen Sonatentypus. Trotz einiger Anklänge an Beethoven, Schubert und in Virtuosität auch an Weber hat die Komposition ein ganz eigenes, individuelles Profil.
Der erste Satz, Andante, ist technisch anspruchsvoll, dankbar zu spielen, klanglich gut durchgehört und einfallsreich geformt. Als Mittelsatz folgt ein Menuett, dem quasi als Trio Menuett II folgt. Melodisch, harmonisch, rhythmisch und satztechnisch für jeden guten Pianisten eine Freude! Auch das Finale, Allegro assai im 6/8-Takt, ist in technischer Hinsicht, aber auch melodisch und harmonisch ähnlichen Sätzen Schuberts durchaus ebenbürtig. Diese Sonate kann man allen konzertierenden PianistInnen sehr ans Herz legen!
Die anderen Sonaten erreichen dieses hohe Niveau leider nicht ganz. Am ehesten könnte sich die letzte Sonate dieser Ausgabe in cis-Moll noch einen Platz im Konzertsaal erobern. Im ersten Satz folgt auf eine pathetische Einleitung ein Allegro moderato im 2/4-Takt, das kontrapunktisch gearbeitet ist. Es wechseln imitatorische Passagen, oft nur 2-stimmig, mit kompakt akkordischen Teilen ab, die teilweise pianistischen Möglichkeiten widersprechen und schwer zu spielen sind. Ein skurriles Scherzo in Des-Dur mit vielen überraschenden Alterationen bildet das humoristische Zwischenspiel dieser Sonate. Im Finale kommen PianistInnen voll auf ihre Kosten und können spielerisch ihre Virtuosität zeigen.
Die drei anderen Werke stellen Versuche dar, Kontrapunkt, lyrische Gesanglichkeit, klavieristische Satzweise und Sonatenform zu verbinden. Wenn man bedenkt, wie schwer sich Mozart und Beethoven den Kontrapunkt erarbeiteten, war Hoffmann doch wohl überfordert. Die ersten Sätze dieser Sonaten, zum Teil auch die Finali wirken recht gequält, etwas konstruiert, sehr undankbar zu spielen und im Ergebnis für Spieler und Zuhörer unbefriedigend. Zwar finden sich sehr schöne, gefühlvolle langsame Sätze; hier fühlt man, wie Hoffmann ohne die Last der Polyfonie freier und unbefangener komponiert. Aber als zyklische Werke können diese Sonaten nicht überzeugen.
Otto Junker