Stenger, Alfred

Partiturspiel

Die große Orchesterpartitur. Anleitung und Übungen für Unterricht und Selbststudium

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Robert Lienau, Frankfurt am Main 2007
erschienen in: üben & musizieren 4/2008 , Seite 64

„Von Anton Bruckner bis Alban Berg“ – so ließe sich der Anspruch dieses Übungs- und Anleitungsbuchs für das Partiturspiel in kurzen Worten beschreiben. In jedem Falle handelt es sich bei diesem dritten Band der Reihe des Autors Alfred Stenger um die hohe Schule dieser Disziplin: das Spiel aus romantischen bis zeitgenössischen Orchesterpartituren.
Stenger – Komponist, Musikwissenschaftler und Hochschuldozent für Partiturspiel – möchte mit diesem Band Musikstudierende und interessierte Laien mit (fundierten) Vorkenntnissen dahin bringen, eine Partitur mit beispielsweise 24 Notensystemen gezielt lesen zu können und strukturelle Zusammenhänge der Komposition auf Anhieb zu erkennen, um diese dann möglichst fließend auf dem Klavier umzusetzen. Dabei betont er, dass ihm eine stilgerechte Wiedergabe wesentlicher erscheine als eine hochvirtuose Transkription. Dementsprechend ist der Band auch aufgebaut: Beginnend mit Bruckner und Wagner schreitet Stenger zu Mahler fort, führt über Richard Strauss, Elgar und Busoni zum Impressionismus beispielsweise eines Debussy, zur Spätromantik Strawinskys, um schließlich über Bartók in die atonalen Gefilde Alban Bergs vorzudringen.
Zu all diesen Komponisten (und noch weiteren) sind jedoch nicht nur Notenbeispiele abgedruckt, sondern es finden sich auch mehr oder weniger ausführliche Texte und Bemerkungen, die auf besondere stilistische, strukturelle oder formale Eigenheiten in deren Schreibweise aufmerksam machen und Anregungen zur adäquaten Wiedergabe ihrer Werke auf dem Klavier geben. So betont Stenger etwa bei Bruckner die vordringliche Stellung des Orchesterklangs, des harmonischen Gerüsts, wohingegen er bei Mahler die individuellen Stimmen, die polyfonen Strukturen hervorhebt und jeweils Tipps zur geschickten Umsetzung vermittelt. Natürlich bleiben die Notenbeispiele auf jeweils einige Takte beschränkt; der Erwerb wenigstens einer gewissen Anzahl von Partituren zur solideren Einfindung in Stil und Spielweise eines Komponisten wird dem Studierenden also sicherlich nicht erspart bleiben.
Ein kleiner Anhang enthält Stückvorschläge für ein weiterführendes Selbststudium; und auch hier gibt Stenger jeweils kurze Hinweise zu den Besonderheiten, die es bei den einzelnen Komponisten (und Werken) zu beachten gilt. Insgesamt richtet sich das Heft deutlich mehr an DirigentInnen (oder Dirigierstudierende) als etwa an Schul- oder Kirchenmusiker, da es ja rein auf orchestrale Partituren konzentriert ist und beispielsweise mehrchörige oder sehr vielstimmige Vokalmusik, aber auch die Oper gänzlich außen vor lässt. Aber für DirigentInnen, Orchestermusiker und Freunde großer romantischer Symphonik hat der Autor hier ein didaktisch gut aufgebautes Kompendium zum Partiturspiel geschaffen, das zwar bereits auf hohem Niveau ansetzt, aber trotzdem noch viel Instruktives zu vermitteln hat.
Andrea Braun