Berio, Luciano

6 Encores pour piano

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2007
erschienen in: üben & musizieren 2/2008 , Seite 61

Luciano Berio (1925-2003) gilt als einer der berühmtesten und erfolgreichsten italienischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er wurde vor allem durch seine 1968/69 entstandene Sinfonia für acht Stimmen und Orchester berühmt. Berio schuf hier einen stilistischen Pluralismus, bei dem er Werke von Bach bis in die Gegenwart zitierte und collageartig in seine Musik integrierte.
Der hochgebildete und vielseitige Berio hat für Klavier solo ein wertvolles, jedoch überschaubares Werk hinterlassen. Bereits 1952/53 schrieb er die frei dodekafonisch angelegten Cinque Variazioni, die er seinem Lehrer Dallapiccola widmete. Darauf folgten 1965/66 Sequenza IV sowie 1967 eine Klaviertranskription der 1964/65 ursprünglich für Cembalo bestimmten Rounds. Als Spätwerk entstand 2001 noch die fast halbstündige Sonata für Klavier.
Dazu kommen die 6 Encores pour piano. In dieser Sammlung sind sechs kürzere Beiträge vereint, die 1965, 1969, 1985, 1989 und 1990 entstanden und zunächst in Einzelausgaben erschienen. Dass der Komponist eine spätere Zusammenfassung geplant hatte, zeigt sich in den Titeln der vier frühesten Stücke, die sich auf die vier Elemente beziehen: Wasserklavier, Erdenklavier, Luftklavier, Feuerklavier. Die beiden relativ leichten Stücke Brin (Halm, Faser, Fädchen) und Leaf (Blatt) entstanden 1990 als letzte.
Innerhalb des Hefts sind die Stücke nach aufsteigendem Schwierigkeitsgrad angeordnet: Brin und Leaf stehen am Anfang, Luftklavier und Feuerklavier, die eher schon im virtuosen Bereich anzusetzen sind, am Ende. Im Schwierigkeitsgrad könnte die Berio-Sammlung etwa mit den Heften IV-VI des Mikrokosmos von Bartók verglichen werden. Da der Weltbürger Berio sich in den Encores verschiedener Sprachen bediente, wäre es hilfreich, dem Heft ein Einlegeblatt mit allen verwendeten Ausdrücken auf Italienisch, Französisch, Englisch und Deutsch beizulegen, dazu einige wenige Zeichen zu erklären.
In den Encores kommt ein Charakteristikum des Komponisten zum Ausdruck, das sich durch sein gesamtes Werk zieht: Er hat sich nie völlig von der Tradition gelöst und er geht von singbaren Melodien aus. Die Stücke sind in Takten auskomponiert und mit Metronomzahlen versehen; zusätzlich hat Berio jeweils die Dauer in Minuten und Sekunden angegeben, von Leaf mit 1’20” bis Luftklavier mit 3’00”.
Mit den 6 Encores pour piano hat Berio sehr interessante und eingängige Stücke geschrieben, die gut dazu geeignet sind, Interesse an Musik des 20. Jahrhunderts zu wecken und jüngere wie auch ältere SpielerInnen darauf einzustimmen.
Peter Roggenkamp