Wicke, Peter / Wieland Ziegenrücker / Kai-Erik Ziegenrücker

Handbuch der populären Musik

Geschichte, Stile, Praxis, Industrie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2007
erschienen in: üben & musizieren 3/2007 , Seite 59

Vor über 20 Jahren zum ersten Mal erschienen, zwischenzeitlich in etlichen Überarbeitungen neu aufgelegt – dass das Handbuch der populären Musik nun in einer nochmals erweiterten und grundlegenden Neufassung vorliegt, ist den rasanten Entwicklungen im Zuge der digitalen Revolution auf der einen und der gigantischen, alles prägenden Bedeutung der Musikindustrie auf der anderen Seite geschuldet. Dem entspricht die konzeptionelle Entscheidung, in die über 800 Seiten starke Neuausgabe eine Vielzahl der wichtigsten Plattenlabel als eigenständige Stichwort-Einträge aufzunehmen und auf deren Repertoirepolitik zu verweisen.
Beeindruckend das Spektrum der weit über 1000 Schlagworte – von Elementarbegriffen bis zur Spezialterminologie, eingebunden in ein musiktheoretisches, spielpraktisches, genre-stilistisches und vermittlungstechnisches Bezugssystem. Nicht die tagesaktuelle Markterscheinung, sondern Ursprung und Wesen eines zu beschreibenden Phänomens werden dargestellt; kein „Who is who“ der aktuellen Popmusik-Szene liegt hier also vor, sondern es werden Entwicklungsprozesse umrissen, Querbezüge transparent gemacht – basierend freilich auf der quantitativen und qualitativen Präsenz von Genres/Gattungen in der populären Musikkultur der Gegenwart.
Die Intention des Handbuchs weist denn auch deutlich über die eines reinen Lexikons hinaus: Die Herausgeber bekennen sich in ihrem Vorwort explizit dazu, einen Musikbegriff (in seinen verschiedenen Aspekten) entfalten zu wollen – auch in bewusster Abgrenzung gegenüber „ernster“ Musik. Zusätzlich betonen die Autoren gerade auch im Kontext weit fortgeschrittener popmusikalischer Globalisierungstenzenzen den prinzipiellen Anspruch, Formen der populären Musik in anderen Regionen der Welt zu dokumentieren (was zu einer erheblichen Erweiterung auch des Instrumentenspektrums in der aktuellen Auflage führt).
Kritisch einschränkend lediglich zwei Anmerkungen: 1. Sonderbar quer zur klugen Konzeptionierung steht das punktuell recht willkürlich ausgewählte bzw. kaum noch zeitgemäße Fotomaterial (unter „Liedermacher“ etwa Konstantin Wecker; unter „Computer“ bzw. „Mischpult“ Gerätetypen vermutlich der 70er Jahre…). 2. Kaum nachvollziehbar auch, weshalb gewichtige Stichworte wie „politisches Lied“, „Rundfunk“ oder auch verschiedene Ausprägungen jugendlicher Musik-(Teil-)Kulturen nur mit sehr knappen Textbeiträgen vertreten sind.
Gleichwohl: Der Rang eines Standard-Kompendiums ist dem Handbuch sicher. Alle diejenigen, die sich Gewissheit verschaffen wollen zu Fragen aus der Welt der populären Musik – nicht zuletzt Studierende (die für die weiterführenden, ergänzten Literaturhinweise dankbar sein dürften) –, werden hier fündig.
Gunther Diehl