Bruce-Weber, Renate

Die Weltreise

für 2 Violinen und Violoncello, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2006
erschienen in: üben & musizieren 1/2007 , Seite 61

Das vorliegende Heft ist eine Sammlung von Kinderliedern für dreistimmiges Streichorchester für Anfänger. Vorgesehen sind zwei Geigenstimmen und ein Cello-Part, die sämtlich in der ersten Lage ausführbar sind; für zwei Lieder liegt eine optionale dritte Violinstimme bei. Es handelt sich um elf Lieder aus zehn Ländern bzw. vier Kontinenten, die Renate Bruce-Weber von SchülerInnen ihres Kinderorchesters auf ihre Bitte, Lieder aus ihren jeweiligen Heimatländern mitzubringen, erhalten hat. Hier kommen also Kinder mit Migrationshintergrund – wie es im politischen Jargon heißt – zusammen, um ihre Lieder vorzustellen und gemeinsam zu realisieren. Insofern passt dieser Beitrag bestens in die aktuelle Debatte.
Es treten unter anderem auf: Atte katte nuwa aus Lappland, Kookaburra aus Australien, Swanee River aus den USA, El coqui aus Puerto Rico – eine Mischung aus sehr und auch weniger Bekanntem. Die Bearbeitungstechniken sind vielfältig, neben dem traditionellen Satz gibt es Modales, auch Klangflächen, es treten Imitationen, Rollentausch, Soli, im Instrumentaltechnischen auch Pizzicato und Sordino-Spiel auf. Zum besseren Erlernen der Melodien sind sieben Liedern Texte beigegeben, warum diese bei den letzten vier fehlen, bleibt verwunderlich.
Neben den zu begrüßenden Originalsprachen bietet die Nr. 6 aus Ghana mit „Weg, du freches Geißlein“ einen deutschen Text an, der an die Pädagogik der 50er Jahre gemahnt. Die Herausgeberin hat in Nr. 1 „Muss i denn“ zu „Fahr i denn“ umgeschrieben, um hier das Motto für die Sammlung zu exponieren, leider nicht immer glücklich gereimt.
Bei diesem Stück ist der Rhythmus erleichtert (punktierte Achtel mit Sechzehntel erscheinen nicht), wie generell auf leichte Spielbarkeit geachtet wurde. Die dynamischen Anforderungen sind zuweilen sehr differenziert (Nr. 4 mit Echo: cresc.-decresc.), auch bei der Unterscheidung von Haupt- und Nebenstimmen (Nr. 8 Jedna stara majka aus Kroatien). Schöne klangliche Effekte bieten ein afrikanisches Spiellied (Nr. 5, hier fehlt die Länderangabe) mit pizz. und vielen leeren Saiten und ein chinesisches Schlaflied (Nr. 9) mit zusätzlichem Gong und Glockenspiel.
Am gelungensten sind die modalen und imitatorischen Stücke. Beim dur-moll-tonalen Satz hätte dem Tonsatz mehr Beachtung geschenkt werden dürfen (Nr. 1, Takt 9 braucht einen Halbschluss, bei Nr. 9 Katjuscha gehört die originale Harmonik konstitutiv zum Lied und sollte nicht geändert werden, hier gibt es auch unmotivierte Quartsextakkkorde in Takt 11 oder Quintparallelen, Takt 44 f.). Ärgerlich sind Druckfehler wie bei Nr. 9 in Takt 7 in der zweiten Geige oder in Takt 31 in der ersten Geige; diese sind auch in die Einzelstimmen übertragen worden.
Obwohl von Bruce-Weber angestrebt, ist diese Kompilation kein Zyklus, sondern eine Reihung: Die Anzahl der Lieder ist beliebig, ebenso ihre Abfolge. Dieser insgesamt geglückten Veröffentlichung sind Nachahmer zu wünschen: Viele InstrumentalpädagogInnen dürften in der Lage sein, ein derartiges Projekt mit ihren SchülerInnen durchzuführen. Solche Art gemeinsamen Spielens bietet unmittelbare Freude, nützt der Einführung ins Zusammenspiel und liefert einen Beitrag zur sozialen Integration.
Christian Kuntze-Krakau