Gortheil, Bernhard / Lotte Dietzfelbinger-Roy

wilhelmine pinguine

Erlebniskonzert für Musikschulen, Grundschulen und Jugendorchester, Partituren und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Klimperbein, Hersbruck 2005
erschienen in: üben & musizieren 5/2006 , Seite 62

Eine löbliche Absicht, die mit dieser Veröffentlichung verbunden ist: nämlich Material für die zeitgemäße Praxis der Kooperation von Schule und Musikschule zur Verfügung zu stellen. Das Ganze basiert auf einem Projekt der Musikschule des Emslandes mit der Waldschule Leschede/Emsbüren, das offenbar vielfältige Gelegenheit zu fachübergreifender Zusammenarbeit bot. Solche Kooperationen kann man nur begrüßen und darauf hoffen, dass sie sich in den kommenden Jahren angesichts von Offener Ganztagsschule und anderen Entwicklungen im künstlerisch-pädagogischen Bereich vor Ort multiplizieren. Mit Stolz weisen die AutorInnen auf die Tatsache hin, dass dieses „Erlebniskonzert“ im Wettbewerb „Kinder zum Olymp!“ (einem Projekt der Kulturstiftung der Länder) herausgestellt und ausführlich zitiert wurde.

Darf man dennoch die Frage nach den ästhetischen Kriterien aufwerfen, nach denen ein Stück wie dieses produziert wurde? Gerade der Begriff des Erlebnisses wäre angesichts der allgemein zu beklagenden Verflachung geistiger Werte zeitgemäß zu definieren und mit substanziellem Inhalt zu füllen. Hier liegt eine durchaus provokative Aufgabe gegenwärtiger Musikpädagogik: sich dem Mainstream in der alles beeinflussenden Medienlandschaft entgegenzuwerfen und auf wirkliche Qualität zu setzen.
Sieht man sich unter diesem Gesichtspunkt den Schuber mit dem Noten- und Textmaterial genauer an, wird man sehr schnell ernüchtert, ja enttäuscht sein. Allein das Pinguinlied, das dem Stück als Thema für musikalische Variationen dient, ist in seiner melodischen Erfindung dürftig und eben kein „zündender“ Einfall, der eine weitere kompositorische Entwicklung herausfordert – vielleicht auch wegen des ebenfalls eher dürftigen Textes: „Pinguin, Pinguin, wohnst beim kalten Meer. Springst hinein und plitscheplatsch, schwimmst drin hin und her. Pinguin, Pinguin, abends um halb acht hast du deine Füße kalt gemacht…“
Man könnte fragwürdige Beispiele ähnlicher Art häufen („Eismeer-Rap“, „Pinguin-Rock“…). Auch ist die Geschichte wenig originell, dramaturgisch ohne Spannung und keinesfalls ein „musikalisches Märchen“, wie es die Darstellung innerhalb der Dokumentation „Kinder zum Olymp!“ suggeriert. Seichte Geschichten – mit Verlaub – erleben die Kinder heute „auf allen Kanälen“, man sollte ihnen im pädagogischen Bereich anspruchsvollere Kost servieren.
Ein Grund für den Dauerbrenner Peter und der Wolf, der als ein wirkliches „musikalisches Märchen“ gehört werden kann, ist die hohe kompositorische Qualität!
Zugegeben, nicht jeder ist ein Prokofjew, aber Leitbilder sind innerhalb der künstlerisch-pädagogischen Praxis unverzichtbar. Ich denke, dass die gute allgemein-pädagogische Absicht, auf die auch in der erwähnten Dokumentation deutlich hingewiesen wird, nicht den ästhetischen Anspruch verdecken darf: Ohne didaktische Analyse können auch Kooperationsprojekte, die sicherlich Kompromisse eingehen müssen, keinen nachhaltigen Wert haben.
Jedoch soll abschließend auf die guten Ideen zu Bühnenbild und Kostümen hingewiesen werden. Auch die choreografischen Tipps sind praxisbezogen und kindgemäß. Beides findet sich im Textheft der Materialsammlung.
Thomas Holland-Moritz