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Bauchrowitz, Frank

Von der Bühne gestolpert…

Zur Haftung bei Unfällen im Rahmen von Schülervorspielen

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 2/2018 , musikschule )) DIREKT, Seite 02

Schnell ist es bei einem Schülerkonzert geschehen: Der Konzertbeitrag ist ­vo­rüber, der Applaus verebbt. Nun rasch von der Bühne und… das Kabel der folgenden Band wurde übersehen.
In welchen Fällen haftet eine Lehrkraft, wenn es zu Unfällen bei Schülervor­spielen kommt?

Unfälle passieren in allen Lebenssituationen und können auch bei Schülervorspielen von Lehrkräften verursacht oder mitverursacht werden. Denkbar wäre beispielsweise, dass eine Musikschullehrkraft einem Schüler oder einer Schülerin aus Versehen die Hand beim Öffnen oder Schließen des Flügels klemmt. Oder dass ein Schüler oder eine Schülerin über ein von der Lehrkraft unachtsam abgestelltes Instrument stolpert und sich verletzt. Die möglichen Fallgestaltungen sind vielfältig.

Haftung der Lehrkraft als Veranstalterin?

Schülerkonzerte, auch wenn sie im kleinen Rahmen stattfinden, sind normalerweise als Veranstaltung einzustufen. Bei Unfällen im Rahmen solcher Veranstaltungen ist daher der naheliegende Anspruchsgegner der Veranstalter oder die Veranstalterin des Vorspiels. Aber ist die Musikschullehrkraft überhaupt Veranstalterin eines in der Musikschule stattfindenden Schülerkonzerts?
Eine klare Definition dafür, wann jemand zum Veranstalter oder zur Veranstalterin wird, gibt es bisher nicht.1 Nach der Recht­sprechung des Bundesgerichtshofs ist Veranstalter derjenige, der eine Aufführung angeordnet und sie durch seine Tätigkeit ins Werk gesetzt hat; dies ist insbesondere derjenige, der für die Veranstaltung organisatorisch und finanziell verantwortlich ist. Weiter wird ausgeführt, ein Anhaltspunkt für die Stellung als Veranstalter folge aus der Möglichkeit, auf die Auswahl der aufzuführenden Stücke einzuwirken. In die erforderliche Gesamtbetrachtung einzubeziehen sein können auch noch weitere Kriterien.2
Die meisten dieser Merkmale treffen beim normalen Schülerkonzert in einer Musikschule (beispielsweise als Abschlusskonzert am Ende des Musikschuljahres) überwiegend auf den Inhaber oder die Inhaberin der Musikschule zu, nicht aber auf die Lehrkräfte. Eine direkte Haftung der Lehrkräfte als Veranstalter oder Veranstalterin entfällt also bei derartigen Vorspielen von vornherein.

Haftung aufgrund des Arbeitsverhältnisses?

Eine Haftung von Lehrkräften gegenüber verunfallten Schülern und Schülerinnen kann sich allerdings aufgrund der vertraglichen Verbindungen der Lehrkräfte zur Musikschule ergeben. Sofern die Lehrkraft bei der Musikschule nach den Regelungen des TVöD angestellt ist, gehört die Begleitung von Schülervorspielen als Zusammen­hangstätigkeit zur Arbeitsleistung (§ 52 TVöD, Protokollerklärung zu Absatz 1). Besteht ein Arbeitsverhältnis ohne Geltung des TVöD (z. B. bei einem privaten Betreiber der Musikschule oder einem Verein), ist auch hier in aller Regel davon auszugehen, dass die Begleitung der Schülervorspiele durch Lehrkräfte zur Arbeitsleistung gehört. Dies trifft gerade dann zu, wenn die Lehrkräfte ausdrücklich zur Teilnahme vertraglich verpflichtet wurden oder der Arbeitgeber diesbezüglich das Direktionsrecht ausübt.
Ist eine Lehrkraft für einen Unfall mit entsprechendem Schaden bei einem Schüler oder einer Schülerin verantwortlich, kann sie eine Freistellung beim Arbeitgeber beantragen. Die Musikschule muss dann wegen der betrieblichen Veranlassung des Schadens die angestellte Musikschullehrkraft vom Schaden gegenüber dem oder der Geschädigten freistellen. Die Höhe der Freistellungsquote richtet sich nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Dabei kann es grundsätzlich zu einer vollständigen Freistellung der Lehrkraft kommen (leichte Fahrlässigkeit), aber auch zu einer vollen Haftung (grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz).3

Haftung aufgrund eines Honorarvertrags?

Die Honorarkraft ist hingegen fast nie im Rahmen ihres Auftragsverhältnisses ausdrücklich dazu verpflichtet, an Schülervorspielen teilzunehmen. Das widerspräche auch der Eigenart dieser Vertragsform, weil die Anwesenheit der Lehrkraft bei Schülervorspielen dann in der Regel von der Musikschulinhaberin bzw. vom Musikschulinhaber bezahlt werden müsste. Zwar nehmen viele Honorarkräfte aus Pflicht­gefühl gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern dennoch an Musikschulvorspielen teil. Eine vertragliche Haftung besteht dann aber mangels der Wahrnehmung einer vertraglichen Pflicht nicht. Es kommt nur eine außervertragliche Haftung der Lehrkraft in Betracht.4
Wurde die Honorarkraft hingegen laut Ver­trag mit der Musikschule dazu verpflichtet, an Schülervorspielen teilzunehmen, wird sie ebenso wie die angestellte Lehrkraft als Erfüllungsgehilfe für die Musikschule tätig. Hier gilt die Besonderheit, dass Honorarkräfte keinen Anspruch auf innerbetrieblichen Schadensausgleich haben. Deshalb sollte mit der Musikschule eine entsprechende Haftungsfreistellung vereinbart5 oder eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Denn sonst haftet sie nach dem Umfang ihres Verschuldens selbst gegenüber der Schülerin oder dem Schüler.

Vorspiele, bei denen die ­Lehrkraft Veranstalterin ist

Auch wenn dies zu Beginn dieses Beitrags für den Normalfall ausgeschlossen wurde, gibt es Fälle, in denen die Lehrkraft selbst Veranstalterin eines Vorspiels ist, z. B. wenn sie bei sich zuhause unabhängig von einer Musikschule mit ihren Schülerinnen und Schülern ein Weihnachtsvorspiel veranstaltet, zu dem die Eltern eingeladen sind. Dann treffen die oben genannten Veranstaltermerkmale auf die Lehrkraft zu und sie kommt als potenzielle Haftungsgegnerin bei Unfällen von Schülern und Schülerinnen in Betracht.
Ein innerbetrieblicher Schadensausgleich mit der Musikschule ist hier auch für ­angestellte Musikschullehrkräfte ausgeschlossen, da derartige Vorspiele außerhalb der vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Musikschule nicht betrieblich veranlasst sind.

Verkehrssicherungspflichten

Für die Lehrkraft als Veranstalterin ent­stehen entsprechende Verkehrssicherungspflichten, auch wenn sie in keinem Vertragsverhältnis mit den teilnehmenden Schülerinnen und Schülern oder den Zuhörern und Zuhörerinnen steht. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) haftet ­jedermann für vorsätzlich oder fahrlässig verursachte Schäden an Leben, Körper und Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonstigen Rechten anderer, die er widerrechtlich verursacht hat (§ 823 Absatz 1 BGB).
Um den eigenen Verschuldensanteil zu mindern, müssen von einer veranstaltenden Lehrkraft konkrete Maßnahmen für die Gefahrenabwehr vorgenommen werden.6 Die Lehrkraft muss beispielsweise bei Vorspielen sicherstellen, dass typische Gefahren eines Auftritts beseitigt werden und das Unfallrisiko der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler minimiert wird. Hierbei wird das Verschulden der Lehrkraft und damit ihr Haftungsanteil nach den allgemeinen Regeln beurteilt.7

Schadenersatz

Verstößt die veranstaltende Lehrkraft gegen diese Pflicht und kommt es zu einem Schaden, ist sie gegenüber dem verunfallten Schüler oder der Schülerin zum Schadenersatz verpflichtet. Dieser umfasst bei der Verletzung der Gesundheit auch ein Schmerzensgeld (§ 253 BGB). Sofern sich die Parteien über die Höhe des Schmer­zensgeldes nicht einigen können, setzt es ein Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung fest (§ 287 Zivilprozessordnung).

Versicherungsschutz

Eine bestehende Betriebshaftpflichtver­sicherung der Lehrkraft deckt die Risiken einer Veranstaltung nicht ab.8 Eine Veranstaltungsversicherung tritt in der Regel nur für Schäden ein, die aus einer Verletzung von vertraglichen Schutz- oder Verkehrs­sicherungspflichten begründet werden. Solche bestehen bei von der Lehrkraft außerhalb der Musikschule veranstalteten Schülerkonzerten zu den Schülerinnen und Schülern aber in der Regel nicht.
Es bleibt daher in diesen Fällen die Möglichkeit des Ausgleichs durch eine private Haftpflichtversicherung.

Fazit

Auch wenn unter bestimmten Voraussetzungen der Haftungsfall eintreten kann, sind in der Gesamtbetrachtung die Haftungsrisiken von Musikschullehrkräften für Unfälle bei Schülervorspielen doch eher überschaubar.

1 vgl. Marcel Bisges, in: ders. (Hg.): Handbuch des Veranstaltungsrechts, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2017, Kapitel 1, Rn 201.
2 BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – I ZR 204/13, Ziffer 20.
3 zu den Regeln des innerbetrieblichen Schadensausgleichs siehe Frank Bauchrowitz: „,Es wird schon nichts passieren!’ Wofür haften Musikschullehrkräfte?“, in: musikschule )) DIREKT 2/2017,
S. 2 ff.
4 Näheres dazu im Abschnitt „Vorspiele, bei de­nen die Lehrkraft Veranstalterin ist“ und in den da­rauf folgenden Abschnitten.
5 zu Beispielen für entsprechende Klauseln siehe Bauchrowitz, a. a. O., S. 4.
6 vgl. Ruben Engel, in: Marcel Bisges (Hg.): Handbuch des Veranstaltungsrechts, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2017, Kapitel 2, Rn 812.
7 zur Differenzierung der Verschuldensgrade siehe Bauchrowitz, a. a. O., S. 2 f.
8 vgl. Elmar Funke/Günter Müller: Handbuch zum Eventrecht, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln 32009, Rn. 856.