JeKits-Stiftung (Hg.)

Vom Lauern auf den Moment

Praxisimpulse, Reflexionen und Schlüsselfragen aus der Arbeit der JeKits-Akademie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: JeKits-Stiftung, Bochum 2017
erschienen in: üben & musizieren 2/2018 , musikschule )) DIREKT, Seite 07

Beim Musizieren gibt es Momente, die als besonders künstlerisch empfunden werden, in denen man sich frei fühlt, seine Kreativität ausschöpfen kann und das entstehende Klanggebilde ­genussvoll hört. Auf diese Präsenz des Ästhetischen im Unterricht spielt der Titel der Publikation „Vom Lauern auf den Moment“ an. Wie können solche ästhetischen Momente erkannt, auf­gegriffen und reflektiert werden? Wie kann ein künstlerischer Anspruch in der Unterrichtsrealität verwirklicht werden?
Den Hintergrund bildet das kulturelle Bildungsprogramm JeKits (Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen) in Nordrhein-Westfalen. Aufgrund der Struktur von JeKits findet dort oft ein gemeinsames Musizieren in einer Gruppe von Kindern statt, die über keine speziellen Vorkenntnisse auf einem Instrument verfügen. Dies dürften viele Lehrkräfte als Herausforderung empfinden, denn es gilt, Wege zu finden, um von Anfang an das musikalische Zusammenspiel zu initiieren. Derar­tigen (drängenden) Fragestellungen widmet sich die JeKits-Akademie: In mehreren Arbeitsphasen treffen sich JeKits-Lehrkräfte mit den Moderatoren Franz Kasper Krönig und Thorsten Neubert sowie mit GastdozentInnen, um sich auszutauschen, Ideen für die Unterrichtspraxis zu erproben und zu reflektieren. Im Zentrum steht dabei nicht das Präsentieren vorgefertigter Lösungen, sondern die gemeinsame Suche. Und in diesem Sinn soll auch die Publikation zum Diskurs beitragen und zum Weiterdenken animieren.
Die Veröffentlichung ist in zwei Teile gegliedert: Nach vier Praxisimpulsen mit Reflexionen werden Schlüsselfragen im JeKits-Kontext thematisiert. Als Autoren wirken dabei sowohl die Moderatoren der JeKits-Akademie als auch zwei der GastdozentInnen sowie mehrere JeKits-Lehrkräfte mit. Mit den Praxisimpulsen werden Möglichkeiten vorgestellt, um ein gemeinsames Musizieren mit einfachen Mitteln künstlerisch zu gestalten. Jedem Praxisimpuls folgen Reflexionen bzw. Spezifizierungen, also Übertragungen auf die jeweilige Unterrichtspraxis ­einzelner Lehrkräfte. Die Texte geben Einblick in das Unterrichtsgeschehen bzw. die methodische Vorgehensweise und zeigen mögliche Prozesse und Zielsetzungen beim Musizieren mit ­einer Kindergruppe (z. B. mit dem JeKits-Orchester) auf.
Im ersten Kapitel erläutert Gastdozent Achim Tang etwa, wie eine Orchesterimprovisation durch einfache Hand­zeichen eines Dirigenten angeleitet werden kann. Dieser Praxisimpuls wird ­anschließend durch eine analytische Reflexion und die zusätzliche Besprechung zweier Improvisationsformen von anderen Autoren ergänzt. Am Kapitelende folgt – wie bei jedem Praxisimpuls – eine Auflistung weiterführender Literatur zum Thema. Die Praxis­impulse dokumentieren so zum einen die Arbeit der JeKits-Akademie, zum anderen bieten sie methodische Ideen, die auf die eigene Unterrichtspraxis übertragen werden können.
Im zweiten Teil der Publikation werden Schlüsselfragen auf drei Ebenen im JeKits-Kontext beleuchtet: die ästhetisch-künstlerische, die didaktisch-pädagogische sowie die multiplikato­rische Ebene. In jeweils zwei bis fünf Beiträgen werden die Fragen der entsprechenden Ebene reflektiert. So entsteht eine „Bestandsaufnahme“ verschiedener Aspekte, die im Rahmen von JeKits eine Rolle spielen. Auf der didaktisch-pädagogischen Ebene wird z. B. die organisatorische Seite des ­JeKits-Orchesters erörtert; außerdem werden die „Wirkungsweisen von Steuerung in musikpädagogischen Kontexten“ analysiert und Überlegungen angestellt, wie elementare Instrumentalstimmen im JeKits-Orchester beschaffen sein sollten. Die Auseinandersetzung mit solch zentralen Themen der JeKits-Arbeit lädt die LeserInnen dazu ein, die eigene Unterrichtspraxis – nicht nur im Rahmen von JeKits – zu reflektieren und nach neuen Lösungswegen für herausfordernde Situationen zu suchen.
Die Publikation bietet einen praxis­orientierten Einblick in die Arbeit der JeKits-Akademie. Nicht enthalten ist eine Beschreibung des Programms selbst oder eine Erläuterung über das Wesen der JeKits-Akademie. Deshalb wird ein Außenstehender vermutlich erst im Lauf der Lektüre Zusammenhänge erfassen und verstehen. Dennoch können die Unterrichtsideen und Reflexionen dazu anregen, die ­eigene pädagogische Lehrtätigkeit ­sowie ­ästhetische Prozesse allgemein zu überdenken.
Silvia Müller