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Bossen, Anja

Abhängig beschäftigt

Trotz Honorarvertrag: Musikschule muss Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 1/2017 , musikschule )) DIREKT, Seite 05

Die Stadt Ahaus (NRW) muss für einen früheren Honorar-Musiklehrer an der Musikschule Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Dies hat das Landessozial­gericht Nordrhein-Westfalen in Essen entschieden (Az. L 8 R 761/14).

Der Gitarrenlehrer war von 2007 bis 2014 an der Musikschule als Honorarkraft beschäftigt. Auf Antrag des Instrumentallehrers hatte die Deutsche Rentenversiche­rung festgestellt, dass er sozialversicherungs­pflichtig sei und die Stadt entsprechende Abgaben zahlen müsse. Obwohl es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, hat der Fall Signalwirkung für ähnliche Fälle. Der betroffene Gitarrenlehrer selbst stellt den Hergang folgendermaßen dar:

Im Jahr 2005 erkrankte ein vollzeitbeschäftigter Gitarrenlehrer der städtischen Musikschule Ahaus. Zur Versorgung seiner Schüler wurden vertretungsweise drei Gitarrenlehrer mit befristeten TVöD-Verträgen in Dienst genommen. Diese Verträge wurden zweimal verlängert (jeweils befristet, aber TVöD), bis der erkrankte Kollege schließlich starb. Die Stadt Ahaus hatte sich inzwischen entschieden, auslaufende TVöD-Verträge durch Honorarverträge zu ersetzen. Sie bot auch mir einen solchen an. Ich habe zunächst unterzeichnet und die Arbeit fortgesetzt. Da der Vertragstext meiner Meinung nach einige fragwürdige Passagen enthielt, habe ich eine Kopie zur ver.di-Geschäftsstelle in Münster mit der Bitte um Überprüfung geschickt. Als Antwort bekam ich den dringenden Ratschlag, die Angelegenheit bei der Clearing-Stelle der Deutschen Rentenversicherung Bund überprüfen zu lassen, da der Vertrag eher Merkmale einer festangestellten Tätigkeit habe.
Die Clearing-Stelle ist schließlich zu dem Ergebnis gekommen, dass meine Tätigkeit bei der Musikschule Ahaus überwiegend Merkmale einer abhängigen Beschäftigung aufweise, und hat einen entsprechenden Bescheid erlassen. Gegen diesen Bescheid hat die Stadt Ahaus Klage beim Sozial­gericht Münster eingereicht und in der ersten Instanz im Juli 2014 verloren. Sehr schnell wusste die Stadt Ahaus einige Passagen in den folgenden Honorarverträgen umzugestalten, sodass weniger Eigenschaften einer abhängigen Beschäftigung auf dem Papier standen: die Verpflichtung, nach dem Lehrplan des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) zu unterrichten, wurde gestrichen, ebenso wurden Ausdrücke wie „Weisung“ abgemildert oder weggelassen.
In der Verhandlung am 6. Juli 2016 hat sich der Senat des Landessozialgerichts Essen ein sehr genaues Bild von meiner tatsächlichen Tätigkeit gemacht und mir zahlreiche äußerst präzise Fragen gestellt. Gleichfalls als Zeuge geladen war der Leiter der Musikschule Ahaus. Seine Aussagen enthielten einige auffallende Besonderheiten: Zunächst betonte er, dass es (große) Unterschiede zwischen Festangestellten und Honorarlehrkräften gab und gibt. Der Vorsitzende konfrontierte ihn mit der Tatsache, dass ich zunächst als TVöD-Lehrkraft in Dienst war – erst nach dem Tod des zu vertretenden Lehrers wurde ich Honorarlehrer. Dies setzte den Musikschulleiter in Erstaunen – dies sei ihm nicht bewusst. Seine „Unterschiede“ zwischen Festangestellten und Honorarlehrkräften verloren an Bedeutung.
Im Zusammenhang mit der Anweisung, nach den Lehrplänen des VdM zu unterrichten, wurde die Musikschule gebeten, ein Exemplar dieses Lehrplans für den zu behandelnden Zeitraum vorzulegen. Nicht nur dies war dem Schulleiter nicht möglich, überhaupt war es ihm nicht gelungen, ein einziges Exemplar des Lehrplanwerks überhaupt in der Musikschule zu finden. Der Musikschulleiter räumte ein, dass die Musikschule eigentlich aus dem VdM geworfen werden müsse, da sie – anders als das Aushängeschild verheißt – nicht nach den Lehrplänen des VdM unterrichte. Somit verlor auch das Kriterium „Unterricht nach VdM-Lehrplan“ in der Unterschiedsbetrachtung von Festangestellten und Honorarlehrkräften völlig an Bedeutung.
Das Landessozialgericht Essen wies die Klage der Stadt Ahaus gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund zurück und hat eine Revision nicht zugelassen. Damit ist der Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund über die Feststellung, dass meine Tätigkeit an der Musikschule Ahaus überwiegend Merkmale von abhängiger Beschäftigung aufweise und damit sozialversicherungspflichtig ist, rechtskräftig.