Mayeur, Louis

Le Carnaval de Venise

Grande Fantaisie brillante für Altsaxophon und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2017
erschienen in: üben & musizieren 6/2018 , Seite 57

Der Komponist Louis Mayeur (1837-1894) ist unter Saxofonisten kein Unbekannter. Er gehört zur ersten Generation von Saxofonisten, die am Pariser Konservatorium noch von Adolph Sax und Hyacinte Klosé ausgebildet wurden. Von ihm allein stammen etwa 20 Variationszyklen über bekannte Arien sowie diverse weitere Stücke und Übungsmaterialien für verschiedene Besetzungen. Zusammen mit anderen Salon-Piècen etwa von Demersseman und Singelee bilden sie zumindest historisch einen wichtigen Teil der Saxofonliteratur. Über den musikalischen Wert lässt sich (gerade im Vergleich mit zeitgleich entstandenen Stücken bekannter Komponisten) sicherlich streiten. Mit Ausnahme seiner Nouvelle Grand Méthode, die in der Überarbeitung von Marcel Perrin nach wie vor bei Leduc erhältlich ist, waren zuletzt Mayeurs Stücke nur noch in einigen Bibliotheken einsehbar. Von daher ist die Neuedition gleich mehrerer seiner Stücke bei Dohr höchst erfreulich.
Die Ausgabe wurde vom Verleger als kritisch revidierte Neuausgabe betitelt. Als solche erwartet man einen kritischen Bericht, der leider fehlt. Zudem bezieht sich die Ausgabe ausschließlich auf eine ältere, bei Leduc erschienene Fassung. Auch wenn vermutlich das Autograf nicht mehr erhältlich oder zugänglich ist, hätte man sich einen etwas transparenteren Umgang mit Korrekturen und Veränderungen gewünscht. Vergleicht man die beiden Versionen miteinander, so fallen eine Reihe von Unterschieden auf, die bis auf eine Korrektur in Takt 116 stillschweigend vorgenommen wurden.
Insbesondere in den chromatischen Linien, aber auch in den Arpeggien wurden eine Reihe von offensichtlichen Vorzeichenfehlern korrigiert. Zudem wurden Angaben, die bisher nur in der Klavierstimme verzeichnet waren, in die Saxofonstimme übernommen.
Etwas problematisch erscheint, dass ehemals frei notierte Kaskaden, Arpeggien und Skalen nun mensuriert notiert werden. Dies mag editorischen Erwägungen geschuldet sein, legt aber in einzelnen Passagen eine etwas andere Interpretation nahe, etwa bei den vielen Passagen mit 18 Zweiunddreißigstel-Noten (also einer Proportion von 18:12), die über drei pulsierende Achtel gespielt werden. Fehlt eine genaue Proportion, wird deutlich, dass sich solche Linien statt in gleichmäßiger Bewegung auch quasi improvisando frei ausspielen lassen.
Erfreulich ist, dass in der Neuausgabe Taktzahlen vorgezeichnet sind. Leider fehlt dafür die alte Gliederung in einzelne Variationssätze, was nicht ganz verständlich ist. Ungeachtet dessen handelt es sich editorisch um eine schöne Ausgabe, die gegenüber der alten nicht nur durch ein sauberes und gut lesbares Notenbild glänzt, sondern in der auch Blätterstellen gut gesetzt wurden. Hier kann der Solist mit virtuosen Passagen glänzen, gleichwohl ist das Werk auch von fortgeschrittenen SchülerInnen an Musikschulen gut spielbar. Zudem ist die Klavierstimme verhältnismäßig leicht gesetzt.
Martin Losert